Wie lief dein Finanzjahr? // Jahresrückblick 2022

2022
Lesezeit: 5 Minuten

Wäre Dagoberts Nichte ein Unternehmen und nicht ein privater Blog über meinen Weg zu FIRE, würde die Investor Relations-Abteilung dieses Unternehmens sicherlich versuchen, dem Jahr 2022 noch etwas Positives abzugewinnen. Mit etwas Augenzwinkern gelesen, könnte das vielleicht so klingen:

Dagoberts Nichte konnte die gesetzten Sparziele 2022 durch großen persönlichen Einsatz weit übertreffen. Eine im Vorjahr noch nicht absehbare Steigerung der Einmaleinnahmen (Bonuszahlung) und daraus resultierende Einmalinvestments ermöglichten, das ursprünglich gesetzte absolute Spar- und Investmentziel in Euro um mehr als ein Drittel zu übertreffen.


Die gesamthafte Sparquote auf das Nettogehalt beläuft sich damit auf weit über 50%. Die angestrebte monatliche Sparquote von einem Drittel des regulären monatlichen Nettogehalts ohne Einmaleffekte wurde wie geplant direkt über Sparpläne in ETFs investiert. Dabei profitierte Dagoberts Nichte dieses Jahr besonders von den niedrigen Marktbewertungen, die es erlaubten je Sparplanausführung deutlich mehr Fondsanteile als in Vorjahren erwerben zu können. Das Wertpapierportfolio ist somit für zukünftige Wachstumsphasen gut aufgestellt.


Darüber hinaus konnten die Nettoeinnahmen aus Dividenden nach zwei Jahren Stabilität 2022 wieder deutlich gesteigert werden (+13% auf 2.000 Euro). In Summe blieb das Gesamtnettovermögen annähernd konstant (-2%).

Jetzt mal im Ernst…

Das Finanzjahr 2022 lief natürlich absolut nicht so, wie man sich das als Aktionärin wünschen würde. Dass mein Gesamtnettovermögen trotz

  • brav weiter abgezahltem Autokredit (ca. 4.800 Euro weniger Schulden jedes Jahr),
  • über 40.000 Euro neu investiertem Geld über Sparpläne und Einmalkäufe sowie
  • ca. 2.000 Euro Netto-Dividendeneinnahmen (als Notgroschen nicht reinvestiert)

dieses Jahr sogar gesunken statt gestiegen ist, hat mich beim Anfertigen des jährlichen Finanzstatus schon ein bisschen überrascht. In meinen beiden Depots befindet sich jetzt ca. -3% weniger Geld als im Vorjahr. Und da die Depots einen Großteil meines Nettovermögens ausmachen, kann ich hier dieses Jahr auch keinen Zuwachs vermelden.

Also keinen Schritt weitergekommen auf dem Weg zu FIRE?

So negativ sehe ich das auf jeden Fall nicht. Im Prinzip ist es für junge Sparer sogar gut, wenn noch relativ zu Beginn der Investmentkarriere vergleichsweise schlechte Börsenjahre dabei sind. Denn einerseits schmerzen die absolut gesehen kleinen Verluste dann noch nicht so sehr und andererseits kauft man dann viele Aktien- und ETF-Anteile, die bei steigenden Kursen wieder an Wert gewinnen.

Wenn man es so sehen will, hat „der Markt“ dieses Jahr alle meine neu investierten Euros direkt wieder „vernichtet“ – und sogar noch ein bisschen zusätzliches Geld. In Summe „fehlt“ ein Betrag in Höhe eines ganzen FIRE-Jahresbudgets. An solche Schwankungen muss ich mich aber einfach gewöhnen, denn mit wachsendem Depot werden die absoluten Schwankungen des Depotwerts natürlich auch größer. Georg von finanzen-erklärt.de hat dazu letztes Jahr einen sehr lesenswerten Artikel geschrieben: Mit einem Millionendepot (von dem ich noch weit entfernt bin) muss ich mich darauf einstellen, dass solche hohen Summen wie dieses Jahr im Schnitt alle zwei Jahre an nur einem einzigen Tag „vernichtet“ werden können durch normale Börsenschwankungen. Mir ist wichtig zu betonen: Dieser kleine humoristisch gemeinte Absatz ist mit wirklich vielen Anführungszeichen zu verstehen – denn meine Investments sind nicht tatsächlich „weg“. Wer so denkt, ist eher noch nicht bereit für die Volatilität der Anlageklasse Aktien.

Depotperformance 2022

Wenn ich die reinen Depotstände von diesem und letztem Jahr vergleiche, haben sich meine beiden Depots dieses Jahr sehr unterschiedlich entwickelt:

  • ING: -7,7%
  • Onvista: +9,7%

Allerdings macht diese Betrachtungsweise aus meiner Sicht keinen Sinn, da ich dieses Jahr (endlich!) die letzten aktiven Fonds, die noch im ING-Depot lagen, verkauft habe und das Geld als Einmalkäufe ins Onvista-Depot übertragen habe. Außerdem ist meine Sparrate zwischen den beiden Depots auch nicht gleichmäßig aufgeteilt. Ins ING-Depot fließen die monatlichen Sparpläne (ca. 43% meiner Investitionen dieses Jahr), während im Onvista-Depot über die Freebuys nur Einmalinvestments getätigt werden.

Sinnvoller ist der Vergleich like-for-like, also von Positionen, bei denen es dieses Jahr weder Käufe noch Verkäufe gab. Hier sieht das Bild wie folgt aus:

  • ING: -17%
  • Onvista: -9,4%

Tops und Flops

Tops

Der Platz 1 bei der Performance geht dieses Jahr wieder an eine Einzelaktie und hat mich wirklich überrascht: Die Telekom-Aktie, die ich eher aus nostalgischen Gründen halte und immer als „solider Dividendenzahler, aber sonst nicht so spannend“ abgespeichert hatte, kommt dieses Jahr auf +16,5%.

Auf Platz 2 liegt mit +12,8% eine weitere meiner nur drei Einzelaktien im Depot: Hannover Rück. Die beste Performance in der Kategorie erreichte dieses Jahr der mexikanische Markt, den ich mit zwei verschiedenen ETFs in beiden Depots habe. Hier stehen zum Jahresende grob +11% in den Büchern.

Flops

Der US-amerikanische Markt lief dieses Jahr überhaupt nicht gut, was sich auch bei meinen größten Verlierern des Jahres zeigt. Getrieben ist die schlechte Performance vor allen Dingen von den Tech-Schwergewichten wie Facebook/Meta (-63%), Amazon (-48%), Alphabet/Google (-36%), Apple (-25%) und Microsoft (-24%), die in den Jahren davor regelmäßig zu den Kurstreibern gehörten. Meine drei größten Flops mit Verlusten von über einem Viertel spiegeln dies auch wieder:

  1. ETF auf den S&P 500 Consumer Discretionary mit -35%, was nicht verwundert bei einem 25%-Anteil von Amazon an diesem ETF und einer weiterhin hohen US-Inflationsrate von ca. 7%. Bei solchen Teuerungsraten leidet discretionary spending natürlich als erstes.
  2. ETF auf den NASDAQ mit -29%
  3. ETF auf den MDAX mit -28%, der dieses Jahr deutlich schlechter performt hat als der große Index-Bruder DAX (-13%)

Allesamt sind die Flops keine Überraschungen und für mich auch wenig beunruhigend, sondern auf Grund der aktuellen Makro- und Marktlage gut erklärbar. Noch etwas positives zum Abschluss: Was man an den Flops aus meiner Sicht sehr gut sehen kann, sind die Vorteile der Diversifikation! Auch wenn es für die jeweiligen Index-Schwergewichte teilweise extrem nach unten ging, ist die Gesamtperformance des jeweiligen Index / ETFs nicht ganz so schlecht.

Über mein Gesamtdepot sieht man diesen Effekt genauso, denn mit ca. -13% Gesamtperformance über beide Depots (like-for-like) stehe ich etwas besser da als z.B. der als Benchmark so wichtige US-Index S&P 500 (-20%) oder der MSCI All Country World (ebenfalls -20%). Ich versuche zwar nicht aktiv den Markt zu schlagen, verfolge aber in meinem Weltportfolio eine etwas andere regionale Gewichtung (nach BIP statt Marktkapitalisierung) als z.B. der bekannte der MSCI World (-16%) Index. Daher ergeben sich immer mal wieder kleinere Abweichungen von der allgemeinen Marktperformance – nach unten und oben.

Glaskugelei, die zweite

Im Nachhinein kann man immer sagen, man hätte es ja gewusst, aber das wäre definitiv falsch. Nichtsdestotrotz wirkt es fast ein wenig prophetisch, dass ich im Ausblick auf meine Ziele 2022 vor 12 Monaten schon einmal vorgerechnet hatte, dass bis zu -11% Kursverluste beim S&P 500 diesen Index nur wieder auf seine langjährige historische Durchschnittsrendite zurückbringen würden.

Mit -20% ist der S&P 500 dieses Jahr leider sogar noch ein wenig schlechter gelaufen. Daher befindet sich seine Durchschnittsrendite der letzten 6 Jahre derzeit etwas unterhalb der historischen Werte. Aber vielleicht heißt das ja auch, dass es nächstes Jahr wieder mehr bergauf geht? 😉

Wie lief dein Finanzjahr 2022? Konntest du den Markt schlagen? Wie hat sich dein Gesamtnettovermögen entwickelt? Musstest du auch einen Stillstand beim Vermögenszuwachs hinnehmen?

P.S. Nach einem kurzen Artikel zu meinen Zielen 2023 folgt im Januar noch ein Fazit zu meinem No Spend Year, da ich bewusst nicht hier inkludieren wollte. Guten Rutsch!

16 Replies to “Wie lief dein Finanzjahr? // Jahresrückblick 2022”

  1. Ich habe Ende des letzten Jahres irgendwie schon dunkle Wolken aufziehen sehen und habe viel umgeschichtet in konservative Werte. Das hat mich vor allzu großen Buchverlusten bewahrt. Trotzdem musste mein Depot Federn lassen (ca 15%); aber reichlich Dividenden haben die Tränen getrocknet 😀

    1. Sehr gut 🙂 Mir persönlich fällt es immer schwer, die Dividenden als Teil der Performance zu sehen, weil ich die Dividenden einfach nicht so genau verfolge und seit mehreren Jahren auch eher versuche, in Thesaurierer zu investieren. Aber so als kleines Trostpflaster ist es trotzdem ganz nett!

  2. Die Börse ist halt keine Einnahnstrasse und wie du richtig schreibt, war nach jahrelangem Streak mit positiven Börsenjahren ein (?) negatives Börsenjahr längst überfällig. Und es wird so oder so auch nicht das letzte gewesen sein…. Und wie du ja auch richtig sagst: Für alle, die noch in der Ansparphase sind, gibt es mehr Anteile für das gleiche Geld 😃

    In dem Sinne: Happy Investing!

  3. Auch mich grüßen -13%. Schön, dass es nicht so arg ist, wie S&P500 oder ACWI. Aber vielleicht hat das mehr mit dem schwächeren Euro zu tun als mit unterschiedlicher Ländergewichtung? In Euro steht der ACWI auch bei ca. -13%.

  4. Bei den Kursen ist bei mir ein ähnliches Bild. Investiert, aber auf dem Papier kaum reicher geworden. Dafür liegen die Dividenden gut. Da ich das schon ein paar Jahre mache, sehe ich inzwischen parallelen zu anderen Jahren, in denen es ähnlich lief.

    Mal schauen was dieses Jahr bringt. 🙂 In diesem Sinne ein schönes neues Jahr.

    1. Habe gerade überraschend auf dem Verrechnungskonto sogar noch eine letzte 2022er Dividende gefunden, die ich gar nicht berücksichtigt hatte. Wirklich ein nettes Nebeneinkommen 🙂
      Wünsche dir auch ein frohes neues Jahr, Andy!

  5. Wieder ein sehr spannender Beitrag!

    Beim Thema Performance bin ich 2022 noch mit einem blauen Auge davon gekommen 😅
    So bewegte sich mein Gesamtdepot mit gut -5 % nur leicht nach unten. Ein Plus wäre mir natürlich trotzdem lieber gewesen 😊

    Ich wünsche dir einen tollen Start in 2023 und uns allen viel Erfolg beim Investieren!

    Viele Grüße
    Manuel

  6. -9,7% in 2022, aber trotzdem am Ende leicht positiv rausgekommen dank ausreichender Investments…In 2022 zum erstenmal einem geschriebenen Investmentplan gefolgt, hat sehr gut funktioniert, schützt vor Grübelei und empfehle ich dringend. Macht auch Spaß, am Ende des Jahres Punkte abgehakt zu haben. Rebalancing durch vermehrten Zukauf von ETFs erreicht, trotzdem ein paar amerikanische bluechips erworben und dadurch inzwischen jeden Monat Dividenden. 2023 hat bisher ziemlich gut begonnen, man bemerkt, dass im letzten Jahr mit Rabatt eingekauft wurde. Ich bezweifle aber, dass der aktuelle Aufschwung schon das Ende des Bullenmarktes ist…..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert