Wie sieht die Zukunft des Investierens in Zeiten des Klimawandels aus? // Finanzblog Award & Gewinnspiel
Dieser Artikel ist Teil der Blogparade „Die Zukunft des Investierens in Zeiten des Klimawandels“ anlässlich des comdirect Finanzblog Awards 2021. Ich würde mich natürlich über deine Stimme im Voting für den Award freuen – das Gewinnspiel am Ende des Artikels ist hiervon aber unabhängig. Schau dir aber unbedingt auch die anderen Artikel der Blogparade an!
Es gibt inzwischen eine große Menge an „grünen“ Fonds und ETFs, die versprechen, bei der Auswahl der enthaltenen Aktien besonders nachhaltig vorzugehen. Dabei werden meist die sogenannten „ESG-Kriterien“ angelegt. Aber nur hinter dem E, das für Environmental (Umwelt) steht, verbirgt sich wirklich „grünes“ mit Einfluss auf den Klimawandel. Natürlich ist es auch wichtig, neben hohen Umweltstandards auch hohe Sozialstandards einzuhalten (das „S“ steht für Social) und das Unternehmen gut zu führen (das „G“ steht für Governance). Aber allzu viel positiven Einfluss auf das Klima oder gleich die ganze Welt sollte man sich von ESG-Fonds und ETFs nicht erhoffen.
Echter Einfluss ist über ESG-ETFs nicht möglich
Wer wirklich Einfluss nehmen möchte, der muss in sogenannte „Impact Fonds“ investieren. Diese versprechen, mit dem Investment tatsächlich einen messbaren positiven Effekt für die Umwelt bzw. Menschheit zu generieren. Meist handelt es dabei nicht um Aktienfonds oder passiv gemanagte ETFs, sondern eher um aktiv gemanagte Fonds, die einzelne Kredite vergeben und Projekte finanzieren.
Aktionäre sind zwar die Eigentümer des Unternehmens, aber doch stark in ihrem Handlungsspielraum begrenzt. Wird eine Aktie an der Börse gekauft, fließt dem entsprechenden Unternehmen kein Geld zu. Daher ist der Einfluss eines Aktionärs auch begrenzt: Nur über die Hauptversammlung und die Wahl des Aufsichtsrats lässt sich implizit Einfluss auf die Unternehmensstrategie ausüben. Wie das Unternehmen handelt und welche Projekte es angeht, kann nicht direkt mitbestimmt werden.
Bei den direkten Projektfinanzierungen und Krediten für konkrete Vorhaben ist der Einfluss dementsprechend größer, aber damit auch das Risiko. Durch eine breite Diversifizierung lässt sich das Risiko auch hier etwas senken, bleibt aber deutlich höher als bei einer passiven ETF-Strategie.
Bei Einzelaktien ist mehr Einflussnahme möglich
Würde ich in Einzelaktien investieren, könnte ich mir bei jeder Kaufentscheidung im Rahmen meines Investment Manifests genau überlegen, ob dieses Unternehmen und seine Produkte und Dienstleistungen meinen Wertevorstellungen entsprechen, ob es positiv oder negativ auf die Klimakrise wirkt bzw. davon betroffen ist und was das wiederum alles für meine Investmentstrategie in Bezug auf diese spezielle Aktie bedeutet.
Bei einer ETF-Investmentstrategie entscheide ich aber bewusst, mich nicht mit einzelnen Unternehmen auseinanderzusetzen, sondern einfach den ganzen Markt zu kaufen: Dadurch habe ich die am schnellsten wachsenden Unternehmen und die Wachstumsschnecken im Depot, genauso wie die Nachhaltigkeitschampions und die, die noch sehr viel zu lernen haben in puncto Klimakrise.
Da der Einfluss eines Aktionärs so gering ist, insbesondere, wenn man mit einem ETF quasi auch noch „über Bande spielt“, halte ich das auch für vertretbar. Denn nur durch einen ESG-ETF rette ich noch nicht die Welt. Die meisten ESG-ETFs und Fonds sind aus meiner Sicht sowieso Mogelpackungen, wenn man davon ausgeht, dass viele Anleger in solchen Fonds eigentlich „grüne“ Unternehmen erwarten würden.
Es gibt inzwischen tatsächlich einige spezialisierte Anbieter und Fonds, die auch bei genauerem Hinsehen diesen Erwartungen standhalten. Leider sind diese aktuell noch recht teuer und oft durch geringere Diversifizierung auch risikoreicher, und damit für den Vermögensaufbau bzw. die eigene Altersvorsorge schlechter geeignet.
Aus meiner Sicht muss man abwägen, ob sich die zusätzlichen Kosten und geringere Diversifizierung tatsächlich lohnen. Denn viel wichtiger als die eigenen kleinen Sparraten, mit denen man maximal ein Zeichen setzen kann, ist meiner Meinung nach, dass man seine Macht als Konsument nutzt, um einen direkten positiven Effekt zu erzeugen. Den meisten Menschen steht ein begrenztes Budget, nämlich ihr Arbeitseinkommen, zur Verfügung, um damit etwas gegen die Klimakrise unternehmen zu können (und im heute zu (über)leben).
Die Frage ist also: Was hilft mehr?
Option 1: Impact Fonds
Ein Investment in einen speziellen (tatsächlich) grünen (Impact) Fonds, auch wenn das teurer ist als normale ETFs und durch geringere Diversifikation und aktives Management mehr Risiko beinhaltet. Je nach Kostenaufschlag leidet die reale Rendite und im schlimmsten Fall die Sicherheit der eigenen Altersvorsorge.
Wichtig ist hier der Fokus auf die reale Rendite. Es gibt inzwischen einige Studien, die zeigen, dass ESG-ETFs keineswegs per se eine schlechtere nominelle Rendite abwerfen! Häufig ist sie sogar leicht besser als die von vergleichbaren ETFs, da hier bewusst Unternehmen ausgewählt werden, die sich auf die Zukunft ausrichten. Der Teufel steckt also im Detail, nämlich bei den Kosten. Daher kommt die Sinnhaftigkeit eines solchen Investments auf die genauen Konditionen an.
Für mich wäre auch noch wichtig, ob der Fonds seinen positiven Einfluss auch wirklich glaubhaft und messbar aufzeigen kann. Denn nur weil „grün“ oder „nachhaltig“ draufsteht, muss es noch lange nicht drin sein – leider!
Zu idealistisch sollte man die ganze Sache aus meiner Sicht sowieso nicht angehen. Wer sein ganzes Vermögen in nachhaltige Windparks oder Solaranlagen in Vietnam gesteckt hat, kann sich auf Grund des hohen positiven Umweltfaktors vielleicht auf die Schulter klopfen (wobei es bei den meisten Themen ja auch immer irgendwelche negativen Effekte auf die Umwelt oder Menschen gibt), setzt seine Altersvorsorge aber durch die Branchen- und Assetklassen-Konzentration einem höheren Risiko aus.
Meine Meinung: Als Beimischung ins Portfolio sind solche tatsächlich grünen Impact Fonds eine gute Idee. Aber all sein Geld sollte man auf Grund des höheren Risikos nicht ausschließlich in solche Spezialfonds stecken. Den Rest des Geldes kann man dann gerne in „handelsübliche“ ESG-ETFs, die heute meist ohne Kostenaufschlag ggü. „normalen“ ETFs zu bekommen sind, investieren. Der positive Effekt beschränkt sich hier aber darauf, dass man ein (kleines) Zeichen setzt für mehr ESG im Markt. Einen direkten Einfluss als Aktionär hat man nicht, da muss man auf die ETF-Verwalter wie Blackrock setzen, die sich inzwischen auch für mehr Nachhaltigkeit einsetzen und die durch ihre große Marktmacht auch mehr gehört werden.
Option 2: Spenden
Auch Impact Fonds wollen natürlich Geld verdienen und finanzieren daher nur bestimmte Projekte, die zunächst einmal wirtschaftlich sinnvoll sein müssen und nur zweitrangig gut für die Umwelt bzw. Menschheit sind. Viele andere Projekte, die ebenfalls gut für eine nachhaltige Entwicklung der Welt wären, haben aber keinen guten wirtschaftlichen Return on Investment (RoI) für den einzelnen Investor. Daher lassen sich solche Themen nur über Spenden bzw. andere gemeinschaftliche Formen der Finanzierung, wie staatliche Steuern, finanzieren.
Wem wichtig ist, dass die eigene Spende den maximal möglichen positiven Effekt hat, findet unter dem Begriff „effektiver Altruismus“ solche Projekte, die wissenschaftlich überprüfbar den besten RoI für die Spendenempfänger haben. Die Messbarkeit des RoI ist hier allerdings eine recht hohe Hürde, sodass es durchaus auch wieder viele andere Spendenprojekte gibt, deren positiver Einfluss zwar noch größer ist, aber auch weniger messbar. Am Ende hat Spenden auch viel mit den eigenen Wertvorstellungen zu tun – es gibt kein objektives richtig oder falsch. Möchte ich eher meine lokale Community unterstützen? Ist mir wichtig, dass meine Spende in Deutschland bleibt? Geht es mir um die Natur und das Klima, Tiere oder Menschen? Ist es mir wichtig, dass die Verwaltungskosten der Organisation besonders niedrig sind und die Transparenz besonders hoch – oder geht es mir mehr um die Sache. Viele Projekte benötigen Unterstützung!
Jetzt kann man natürlich einwerfen, dass Spenden gerade keine Investments sind.
Meine Meinung: Durch meine Spenden „investiere“ ich in eine Umwelt und Gesellschaft, die mir wichtig ist und mein eigenes Leben lebenswert macht. Die Rendite ist nicht in Zahlen auszudrücken, aber doch vorhanden. Wer für seinen Vermögensaufbau investiert, sollte aus meiner Sicht auch immer einen Teil seines Gelds spenden. Denn ich bin nicht allein auf der Welt und habe Startbedingungen gehabt, von denen andere nur träumen können. Das kann ich nicht mehr ändern, aber trotzdem ein klein bisschen dazu beitragen, dass das Leben anderer, die weniger Glück hatten, besser wird.
Option 3: Konsum
Der größtmögliche positive Einfluss auf unsere Umwelt und Mitmenschen entsteht aus meiner Sicht nicht durch unsere Investments oder Spenden. Beide Kategorien zusammen kommen selbst bei sehr einkommensstarken und gleichzeitig spendablen Menschen wohl selten über 50% des Einkommens. Für die Durchschnittsdeutsche entfallen wahrscheinlich eher 80-90% des eigenen Einkommens auf lebensnotwendige Ausgaben für Wohnen und Essen sowie Konsum. Daher liegt hier auch das größte Optimierungspotential. Manche umweltfreundlicheren Alternativen, wie z.B. Biofleisch, sind leider etwas teurer. Aber dafür bekommt man eben auch bessere Qualität bzw. mehr Tierwohl. Das kann sich vielleicht nicht jeder leisten. Aber meist ist sowieso „Verzicht“ die umweltfreundlichste und gleichzeitig kostengünstigste Strategie. Einmal weniger pro Woche Fleisch bei gleichbleibendem Budget erlaubt dann auch je Kauf durchschnittlich etwas höhere Ausgaben. Genauso ist es bei Mode. Wie wäre es statt mit 10 Fast Fashion T-Shirts von H&M, Zara oder Primark nur mit 3, die dafür aber unter besseren Bedingungen hergestellt wurden?
Meine Meinung: Verzicht klingt immer gleich schmerzvoll, muss es aber überhaupt nicht sein. Denn oft kaufen wir gedankenverloren viel mehr als wir eigentlich brauchen, um glücklich zu sein. Mit bewussten Kaufentscheidungen lässt sich sehr viel Gutes bewirken. Ich kann durch ESG-ETFs ein Zeichen setzen für mehr Nachhaltigkeit und hoffen, dass Dritte dieses Zeichen sehen und ihr Verhalten entsprechend ändern. Aber ich kann auch mein eigenes Verhalten ändern und durch meine eigenen Konsumentscheidungen direkte Verbesserungen erzeugen, ganz ohne Dritte.
Fazit: Zusammen am besten!
Idealerweise kombiniert man natürlich alle drei Optionen des nachhaltigen Investierens, Spendens und Konsumierens. Aber in der Realität ist nicht immer genug Geld vorhanden, um wirklich bei jeder der drei Optionen das Optimum herauszuholen, z.B. wenn es Mindestanlagesummen für bestimmte Fonds und Sparpläne gibt.
Mein Plädoyer für die beste Reihenfolge: Beim eigenen Verhalten und Konsum anfangen, denn da kann jeder viel bewegen. Dann an Spenden und ESG-ETF-Investments gleichermaßen denken. Wenn das eigene Anlage-Portfolio groß genug und gut diversifiziert ist, kann man sich auch Spezialinvestments wie Impact Fonds als Beimischung anschauen.
Gewinnspiel
Über nachhaltige Investments wurde bereits viel geschrieben, über nachhaltigen Konsum aber noch nicht so viel. Wer darüber gerne mehr erfahren würde, wie man mit seinem Geld viel erreichen kann, für den habe ich hier noch ein Gewinnspiel: Unter allen Kommentatoren dieses Artikels verlose ich das erst im November erscheinende Buch „Wallet Activism“ von Tanja Hester.
Teilnahmeschluss ist der 15. Oktober 2021. Versand innerhalb Deutschlands übernehme ich. Der Rechtsweg und Barauszahlung ist ausgeschlossen. Viel Glück!
Welche der drei Optionen nutzt du, um einen positiven Effekt zu erzeugen? Welche noch nicht oder weniger oft? Sind dir ESG-ETF-Investments wichtig? Hast du bereits Erfahrungen mit speziellen Nachhaltigkeitsfonds und Impact Fonds gesammelt? Aus welchen Gründen hast du dich dafür entschieden?
Es gibt ja mittlerweile auch schon gute und günstige Lösungen für z.B. 0,07% p.a.
https://www.franklintempleton.de/privatanleger/produkte/etf/fondsuebersicht/29819/franklin-sp-500-paris-aligned-climate-ucits-etf
Ich möchte dieses spezielle Produkt nicht unnötig schlecht reden, aber das ist eben gerade kein grüner ETF, der dem Klimawandel entgegenwirkt. Er schließt nur die schlimmsten CO2-Sünder aus, verfährt ansonsten nach einem Best-in-Class-Prinzip, wenn ich das richtig sehe.
Den höchsten Anteil in Index haben Alphabet (Google), Apple, Microsoft und Facebook. Also die gleichen Unternehmen, die es auch in jedem anderen US-amerikanischen Index gibt. Wer jetzt denkt, mit dem Investment rettet er die Welt, der sollte sich doch lieber auf Spenden und seinen Konsum konzentrieren. Es schadet auch nicht, in ESG Screened ETFs zu investieren, da sie meist nicht teurer sind – aber es bringt eben auch ziemlich wenig.
Viele Grüße
Jenni
Man kann nicht genug betonen, dass bewusstes (nicht) konsumieren den größten Klimaeffekt hat.
Dazu zählt bspw auch das konsumieren von ÖPNV.
Viele Grüße, Stefan
So würde ich das auch sehen.
Vor Jahren war für mich noch unvorstellbar zu Fuß einkaufen zu gehen, mittlerweile mache ich das gerne mit Rucksack um auch auf die >10K Schritte zu kommen.
Alternativ – mit dem Rad ins Büro, das Fahrzeug wird zum die meiste Zeit zum „Stehzeug“.
Das ist meiner Meinung nach auch stark von der Generation abhängig. Ein grüner Sinneswandel braucht sicher länger als eine Generation 😉
Sehr cooler Artikel! Noch als Ergänzung Option 4: Werde aktiv und setzte dich für Themen die dir wichtig sind ein. Zum Beispiel Online-Petitionen, Email an deinen Abgeordneten, Demonstrationen, … alles kostenlose Möglichkeiten Einfluss zu nehmen.
Option 5: Eigenes nachhaltiges Unternehmen gründen:-)
Sehr gute Ergänzungen! 🙂
Ich finde die Logik des Artikels plausibel und halte es genauso.
Um sich die Option 5 etwas leichter zu machen, habe ich kürzlich eine Option 6 gefunden.
Bei der Energiegewinner eG lassen sich als Mitglied einzelne Solarmodule erwerben, ohne dass man deren Verwaltung an der Backe hat. Dafür gibt es die Einspeisevergütung nach Kosten als Kapitalertrag.
Dass da ein wahnsinniger Renditebringer draus wird, glaube ich nicht. Ich werde es aber als eine Art aufkommensneutraler Spende in Erwägung ziehen.
„Aufkommensneutrale Spende“ finde ich eine interessante Idee 🙂
Ob das wirklich so viel gutes tut, wie man sich wünscht? Ich bin in der Hinsicht sehr gespannt auf Tanjas Buch, das ich hier im Gewinnspiel verlost habe, denn da wird es genau um solche Unterscheidung zwischen gut und gut gemeint gehen.