Wie viel Geld brauche ich für mein Retired-Early-Leben? // Corona-Lockdown als Experiment für die RE-Ausgabenplanung
Wie wahrscheinlich bei die meisten Menschen ist mein Alltag im Moment anders als in normalen Zeiten. Home Office heißt für mich: Scheinbar nie enden wollende Telefonkonferenzen und als Sitzgelegenheit nur die Küchenstühle, die definitiv nicht für 8-Stunden-Dauerbenutzung ausgelegt sind. Home Office bedeutet aber auch: keine Ausgaben mehr für das Monatsticket zur Arbeit zu haben und mittags nur noch Selbstgekochtes statt Kantinenessen. Meine Lieblingsrestaurants haben fast alle seit Wochen geschlossen. Nachdem ich den halben März und ganzen April komplett zuhause verbracht habe, habe ich heute einen kleinen Kassensturz gemacht. Welchen finanziellen Effekt hat das „Lockdown-Leben“ auf meine Ausgaben für Lebensmittel und Getränke?
Meine Hypothesen im Vorfeld meiner Analyse
Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich alle 2020er Kontobewegungen auf dem Haushaltskonto kategorisiert, sodass nur Ausgaben für Essen und Trinken, inkl. Getränkelieferservice, Essenslieferservice und Restaurantbesuche, übrig blieben. Vor der Analyse habe ich überlegt, welches Ergebnis ich erwarten würde und aus welchen Gründen:
- Zuhause Kochen ist erheblich günstiger als im Restaurant Essen gehen
- Da wir im April nicht in Restaurants gehen konnten, sollten unsere Ausgaben durch diesen Effekt sinken
- An Werktagen essen wir meist in der (günstigen, da vom Arbeitgeber bezuschussten) Kantine zu Mittag
- Das heißt, dass wir in der Home Office-Zeit sehr viel mehr Hauptgerichte (7, Mo-So) kochen (und damit kaufen) mussten als sonst (2, Sa/So, sofern nicht durch Restaurantbesuch ersetzt) – unsere Ausgaben sollten durch diesen Effekt steigen
- Hinzu kommt, dass wir beim Einkaufen auf die Qualität der Lebensmittel achten (z.B. Biofleisch), was in der Kantine leider nicht unbedingt der Fall ist
- Kantinenessen ist zwar teurer in der Zubereitung (der Koch muss ja auch bezahlt werden), kann durch den Mengenvorteil im Einkauf und die niedrigere Qualität der eingesetzten Waren allerdings auch günstiger pro Portion sein als unsere selbstgekochten Mittagessen
In Summe habe ich erwartet, dass für meinen Freund Christoph und mich zusammengerechnet die Ausgaben für Lebensmittel und Getränke im April deutlich über den Vormonaten liegen. Auch, weil wir uns unsere Zeit zuhause mit mehr Schokobons und Weißwein als sonst versüßt haben 😉
Das Ergebnis
Für mich überraschend lagen die auf den Tag heruntergerechneten Ausgaben für Essen und Trinken, die vom Haushaltskonto abgingen (inkl. Restaurantbesuche und Lieferdienste, aber exkl. Kantinenessen, also die roten, blauen und gelben Teile der Grafik), im April tatsächlich niedriger als im März und ungefähr auf dem Niveau vom Februar.
Die Ausgaben für Kantinenessen (und den gelegentlichen Nachmittagskaffee mit Kollegen) lagen im April verständlicherweise bei Null Euro. Im Februar hatten sie noch bei ca. 7€ pro Tag für uns zwei Personen zusammengerechnet gelegen (grüner Teil der Grafik). Die tatsächlichen Kosten pro Arbeitstag (und damit pro Kantinen-Mittagsportion) liegen etwas höher, aber für bessere Vergleichbarkeit habe ich die Werte genauso wie die anderen Ausgaben auf die Anzahl Tage im jeweiligen Monat umgerechnet. Die Ausgaben für das Mittagessen während der Arbeitszeit sind ggf. etwas unterschätzt, da ich hierüber nicht genau Buch führe. Wahrscheinlich habe ich mich hier aber höchstens um 1-2€ pro Tag verschätzt.
Nimmt man zu den Ausgaben vom Haushaltskonto (blauer, roter und gelber Teil der Grafik) jetzt noch das Kantinenessen (den grünen Teil) für Februar und März hinzu, hatten wir im April also ca. 5€ geringere Ausgaben pro Tag für Essen und Trinken als in den beiden Vormonaten. Der Januar ist nicht wirklich repräsentativ, da wir hier ein ganzes Wochenende fast keine Kosten für Essen und Trinken hatten (Weihnachtsgeschenke) bzw. diese Kosten bereits im Vorfeld bezahlt wurden. Dieser Effekt und das allgemeine Fresskoma nach den Feiertagen haben die Durchschnittsausgaben im Januar wahrscheinlich nach unten gedrückt.
In der März-Grafik sieht man auch gut, dass wir ziemlich genau den halben Monat noch im Büro waren (und in der Kantine gegessen haben) und die zweite März-Hälfte dann im Home Office. Die Kosten für Lebensmittel und Getränke im März waren im Vergleich zum April trotz der insgesamt geringeren Zahl von Heim-Mittagessen etwas höher, da wir unsere Vorräte (z.B. Zwiebeln, TK-Erbsen, … und Wein) erst einmal von „komplett leer“ zu „empfohlene Vorratshaltung“ aufstocken mussten.
Was ich aus den vergangenen Wochen für meine Retired-Early-Zeit lernen kann
Essensbudget
Die aktuelle Lockdown-Situation ist natürlich absolut nicht so, wie ich mir meine Retired-Early-Zeit vorstelle. Aber zumindest hinsichtlich der Zahl selbstgekochter Mittagessen ähnelt sie meiner Vorstellung von der Zeit nach FIRE. Dementsprechend sind unsere durchschnittlichen Ausgaben pro Tag im April ein guter Indikator dafür, wie hoch unser Essen-und-Trinken-Budget in der RE-Zeit mindestens sein muss.
Da wir sehr gerne auswärts essen gehen, würde ich auf das April-Budget noch einmal ca. 10€ pro Tag drauflegen. Damit können wir einige Male im Monat sehr nett essen gehen und haben auch noch Puffer eingerechnet im Budget für jene Essen und Trinken-Ausgaben, über die wir im Moment nicht Buch führen und die bei meiner Analyse des Haushaltskontos ggf. nicht inkludiert waren, z.B. weil sie bar oder von unseren separaten Konten gezahlt wurden.
FIRE-Gesamtbudget
Ich weiß noch nicht genau, wie viel Geld ich insgesamt benötige für meine RE-Zeit. Einige Ausgabeposten sind recht leicht und genau abschätzbar, z.B. Fixkosten wie Miete, Strom, Internet, etc. Hier kann ich mit mehr oder weniger mit den aktuellen Kosten rechnen, da nur die Inflation einen Einfluss auf die Entwicklung dieser Positionen hat. Andere Ausgabekategorien, wie z.B. das Urlaubsbudget, sind komplett diskretionär, sodass ich hier einfach einen Wert festlegen kann, den ich gerne in der RE-Zeit zur Verfügung hätte.
Am schwierigsten sind allerdings Schätzungen für Ausgabenkategorien, die ich so heute noch nicht habe oder die später ganz anders sein werden als heute während des Arbeitslebens, z.B. Ausgaben für Hobbies und Freizeitaktivitäten (außerhalb der Urlaubsreisen). Essen-und-Trinken gehörte für mich bisher auch in diese Kategorie der schwer einschätzbaren Kostenpositionen. Die aktuelle Ausnahmesituation bietet mir durch Zufall die einmalige Möglichkeit, eine Art Experiment hierzu durchzuführen. Durch das Experiment kann ich jetzt meine RE-Ausgaben ein kleines Stück besser einschätzen. Und ich habe auch herausgefunden, dass die Rezeptideen zum Glück doch nicht so schnell ausgehen, wie ursprünglich gedacht. Always look on the bright side of life 🙂
Wie hat sich dein Leben durch die Corona-Pandemie verändert? Hast du auch positive finanzielle Effekt feststellen können? Oder überwiegen bei dir die negativen finanziellen Effekt durch Kurzarbeit/Einkommensverlust?
PS: Mir ist komplett bewusst, dass ein Budget von mehr als 25€ pro Tag für Lebensmittel und Getränke für zwei Personen vielen Menschen äußerst üppig erscheinen muss. Ich liebe gutes und qualitativ hochwertiges Essen und bin daher bereit, auch mehr Geld dafür auszugeben. Doch gesundes Essen muss nicht teuer sein: Frugalisten wie Oliver beweisen, dass man auch mit wenig Geld satt werden kann. Zu deutschlandweiter Berühmtheit brachte es 2009 auch ein Hartz-IV-Kochbuch in dem die beiden Autoren Gerichte zusammengestellt haben, die sich mit dem Regelsatz von 4,33€ pro Person und Tag kochen lassen.
Die täglichen Ausgaben für Essen und Trinken können eine große Stellschraube sein, wenn es darum geht, seine eigene FIRE-Zahl zu berechnen, denn die Spannbreite der möglichen Ausgaben ist groß. Während manche Menschen super gerne kochen, ist für andere Convience wichtiger als alles andere. Wenn du dich selbst auf dem Weg zu FIRE befindest, lohnt es sich meiner Meinung nach auf jeden Fall, über den Stellenwert von Essen in deinem Leben nachzudenken und deine Finanzplanung entsprechend anzupassen.