Warum steigen Aktien langfristig immer? // Aktien als Inflationsschutz

Stonks only go up
Lesezeit: 7 Minuten

Wer auch auf Instagram oder reddit Finanzthemen verfolgt, wird das „Stonks only go up“ Meme sicherlich schon einmal gesehen haben. Obwohl es nur ein Internet-Witz ist, stimmt es doch, dass Aktien immer steigen. Natürlich nicht jede einzelne Aktie. Sondern nur ein breit diversifiziertes Portfolio in der Durchschnittsbetrachtung und auch nur über einen wirklich langen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Dann aber ist diese Aussage tatsächlich wahr. Daher sind Aktien aus meiner Sicht auch der beste Inflationsschutz, jedenfalls, wenn man einen ausreichend langfristigen Anlagehorizont mitbringt.

Exkurs:

Wikipedia weiß: Ein Meme (ausgesprochen [miːm], Mehrzahl Memes) ist ein spezieller, kreativ geschaffener Bewusstseinsinhalt, der sich zwischen Menschen verbreitet. Meist handelt es sich dabei um einen kleinen Medieninhalt, [zum Beispiel] ein Bild mit einer kurzen prägnanten Aussage. Diese ist in der Regel humoristisch und aufheiternd, manchmal auch satirisch und entsprechend gesellschaftskritisch. Memes sind seit vielen Jahren ein bedeutender Teil der Netzkultur. Memes werden meist über Internetplattformen […] weitergereicht.

Das Lexikon der Memes (KnowYourMeme.com) sagt zum „Stonks“ Meme: Stonks ist eine absichtliche Falschschreibung des Worts „Stocks“ (engl. Aktien). Das Meme begann als Reaktion auf Witze über schlechte finanzielle Entscheidungen.

Zusammen mit dem Hype um „Meme-Aktien“ wie Gamestop tauchte in den Internet-Diskussionen in letzter Zeit immer wieder das Mantra „Stocks only go up“ auf. In diesen Fällen aber angewandt auf viel kurzfristigere Wetten und Aktien-Zocks.

In Kombination, also mit der bewussten Falschschreibung, spielt der Ausspruch „Stonks only go up“ also satirisch auf genau diese kurzfristigen Hypes an, die aus den falschen Gründen (Hoffnung auf das schnelle Geld) das richtige tun: Nämlich in die langfristig tatsächlich immer steigende Assetklasse „Aktien“ investieren.

Startende Rakete
to the moon“ ist ein weiterer Ausdruck aus dem Internet-Slang, der inzwischen schon zum ironischen Finanz-Meme geworden ist

Was beeinflusst (langfristig) den Aktienkurs?

Der Kurs einer einzelnen Aktie wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Angebot und Nachfrage nach einer Aktie speisen sich kurzfristig aus Nachrichten über das Unternehmen, Analysten-Meinung und anderen Empfehlungen, aber auch manchmal reinen Algorithmus-Berechnungen sowie der individuellen Situation einzelner Anleger. Mit letzterem meine ich folgendes: Wenn ich zum Beispiel gerade Geld brauche, um etwas anderes als Aktien zu kaufen (ein Auto, ein Haus, … oder als Unternehmer eine neue Maschine, Marketing, etc.), verkaufe ich gegebenenfalls meine Aktien und zwar völlig unabhängig davon, welche Zukunftsaussichten ich für dieses Unternehmen hege. Aber neben dem täglichen Hoch und Runter, den kurzfristigen Hypes und Abstürzen, lässt sich – wieder im Durchschnitt und langfristig betrachtet – ein entscheidendes Kriterium finden, das den Aktienkurs beeinflusst: die Prognose über die (finanzielle) Zukunftsfähigkeit des Unternehmens – meist in Form von Gewinnen.

Wie ich als Aktionärin am Unternehmenserfolg partizipiere

Als Aktionärin bin ich Eigentümerin des jeweiligen Unternehmens. Und die Eigentümer profitieren vom Geschäftsbetrieb entweder direkt über Dividendenzahlungen oder indirekt über einen steigenden Unternehmenswert (Aktienkurs). Dividenden müssen langfristig gesehen aus realisierten Gewinnen bezahlt werden. Denn wer langfristig keinen Gewinn macht, dem würde irgendwann das Kapital ausgehen, um weiter Dividenden zahlen zu können. Kurzfristig betrachtet gibt es durchaus Unternehmen, die mehr Dividende ausschütten als sie an Gewinnen in einem Jahr erwirtschaftet haben (wie z.B. beim Chemiekonzern LyondellBasell). Hintergrund ist hier, dass man den Investoren signalisieren möchte, dass es bald wieder besser wird. Niedrige/ausbleibende Gewinne seien nur ein kurzfristiger „Ausrutscher“, sodass man ohne Probleme weiter Dividende zahlen könne.

Und was ist mit den Unternehmen, die gar keine Dividende zahlen?

Natürlich gibt es auch viele Unternehmen, die gar keine Dividende ausschütten (wie z.B. Amazon) und auch keine Aktienrückkaufprogramme betreiben. Bei letzteren wird wie bei Dividenden ein Teil des Unternehmensgewinn zum Wohle der Eigentümer genutzt. Es werden davon eigene Aktien aufgekauft, um so den Kurs in die Höhe zu treiben.

Die Argumentation der Nicht-Dividendenzahler: Wer keine Dividende ausschüttet, hat mehr Geld übrig, um es in weiteres Wachstum zu investieren. Dadurch soll der Unternehmenswert (also der Aktienkurs) steigen. Mit der gleichen Logik argumentieren einige Unternehmen, die sogar noch nie in ihrer Unternehmensgeschichte überhaupt Gewinne erwirtschaftet haben (wie z.B. Spotify).

Auch der Aktienkurs von solchen Unternehmen ohne Dividende und ohne Gewinne kann steigen und tut es in der Regel auch (man nennt die Aktien solcher Unternehmen auch „Growth“-Titel). Es müssen eben nur genug Anleger daran glauben, dass das Unternehmen zukunftsfähig aufgestellt ist. Der Glaube an einen steigenden Unternehmenswert (Aktienkurs) sorgt dann für einen steigenden Aktienkurs. Solange die Investments, die das Unternehmen mit den erwirtschafteten Geldern tätigt, wirklich zum Unternehmenswachstum beitragen, geht diese Rechnung auch auf.

Die uralte Frage: Growth vs Value

Für mich persönlich ist die Logik von Dividendenzahlern einleuchtender. Was aber nicht heißt, dass ich Growth-Ansätze grundsätzlich für falsch halte. Die direkten Ausschüttungen sind für mich einfach nur leichter zu verstehen. Außerdem glaube ich, dass je nach Geschäftsmodell des Unternehmens irgendwann unweigerlich ein Punkt kommt, an dem der Gewinn nicht mehr wirklich sinnvoll reinvestiert werden kann. Wachstum (z.B. in Sparten außerhalb des Kerngeschäfts) kann zu mehr Komplexität führen. Es braucht ein sehr gutes Management, um die zunehmende Komplexität von stark verschiedenen Geschäftsfeldern gut unter einen Hut zu bringen. Die Gefahr von „sich verzetteln“ steigt, je größer das Unternehmen ist.

Konglomerate wie Samsung zeigen, dass man auch mit vielen verschiedenen Sparten unter einem Dach erfolgreich sein kann. Auch Amazon, die etwa die Hälfte ihres Gewinns mit dem Cloud-Diensten von AWS verdienen, ist ein gutes Beispiel. Im Umkehrschluss heißt das aber auch nicht, dass alle Unternehmen, die Dividenden zahlen, mit ihrem Gewinn nichts mehr sinnvolleres anzufangen wissen, als ihn an die Eigentümer auszuschütten. Es kann durchaus auch ein unternehmerischer Vorteil sein, ehrlich seine eigenen Grenzen in Bezug auf das Management von zusätzlichen Investitionen zu (er)kennen. Da plötzliche Dividendenschwankungen bei Investoren nicht beliebt sind, kann das Management auch nicht jedes Jahr völlig frei entscheiden, wie es den Unternehmensgewinn verwenden möchte. Einen guten Kompromiss zu finden zwischen ausreichenden Zukunftsinvestitionen, einer weiterhin sinnvollen Verwendung des Unternehmensgewinns und den Dividendenerwartungen der Eigentümer, ist eine hohe Kunst.

…oder einfach beides

In meinen Investments bevorzuge ich weder die eine Art Unternehmen noch die andere (klassische Dividendenzahler, also „Value“ vs Unternehmenswertsteigerer, also „Growth“). Stattdessen investiere ich einfach in breit diversifiziert in ETFs, die beides enthalten. Smart Beta ETFs, die versuchen, die eine Art von Unternehmen überzugewichten, halte ich persönlich für nicht lohnenswert. Egal, welchen Investmentansatz man verfolgt, oder ob man beide Arten der Gewinnverwendung (Wachstum vs Dividenden) für gleichwertig hält, am Ende haben die Ansätze eins gemeinsam: Das Unternehmen muss genug Geld erwirtschaften, um weiter in seine Zukunft investieren zu können bzw. Dividenden auszuzahlen.

Go up and never stop
Mein Wunsch für mein Depot

Was das Ganze mit Inflation zu tun hat

Und damit kommen wir zurück zur Frage, warum ein Aktiendepot den besten Schutz vor Inflation bietet. Wenn ein Unternehmen ein stabiles Geschäftsmodell besitzt, das in sich nachhaltig profitabel ist, dann stellt Inflation kein Problem für dieses Unternehmen dar. Denn wenn kurzfristig die Kosten der Input-Faktoren wie Rohstoffe/Materialien oder Arbeitskraft (Lohnzahlungen) ansteigen, kann das Unternehmen seine Output-Preise erhöhen, um den Gewinn stabil zu halten. Wenn auch alle anderen Unternehmen in der Branche von ähnlichen Preisanstiegen der Input-Faktoren betroffen sind, wird eine Preiserhöhung des einen selten die Marktanteile zwischen den Konkurrenten verschieben, da diese auch ihre Preise anheben müssen. Durch die Möglichkeit zur Preiserhöhung bei seinen Waren und Dienstleistungen können Unternehmensgewinne auch bei steigenden Input-Preisen (real) konstant gehalten werden. Somit kann auch die Dividende bzw. der Unternehmenswert (real) konstant gehalten werden.

Realitätscheck

Natürlich ist dieses Gedankenmodell sehr stark vereinfacht, denn es setzt unter anderem voraus, dass auch alle Wettbewerber von den gleichen Preissteigerungen bei den Input-Faktoren in gleichem Ausmaß betroffen sind und daher ihre Preise ebenfalls in gleichem Maße anpassen. Gerade um mehr Marktanteile zu gewinnen, kann sich ein Unternehmen in solch einer Situation aber durchaus entscheiden, in einen Preiskampf einzusteigen und sein Produkt im Gegensatz zur Konkurrenz gerade nicht teurer zu machen, obwohl dies vielleicht auf Grund gestiegener Kosten angebracht wäre. Wenn Konsumenten nicht ständig zwischen verschiedenen Marken / Alternativen wechseln und trotzdem recht preisbewusst sind, kann so eine Strategie mittelfristig durchaus Sinn ergeben, auch wenn kurzfristig die eigenen Gewinne darunter leiden.

Die zweite, sehr stark vereinfachende Annahme steckt hinter dem harmlosen Ausdruck „stabiles Geschäftsmodell“. Denn ganz ohne Investitionen in die Zukunft wird kein Unternehmen lange bestehen. Welche Investitionen sich aber zukünftig auszahlen werden, ist nicht immer bzw. selten so glasklar voraussagbar. Ein heute stabil wirkendes Geschäftsmodell kann durch eine neue Erfindung schon in kurzer Zeit vollständig überholt sein. Von der Erfindung des ersten Automobils 1880 vergingen nur knapp 50 Jahre bis die vormals vorherrschenden Pferdekutschen als Transportmittel vollständig von der Bildfläche verschwunden waren. Noch schneller war die Disruption zum Beispiel beim Thema Digitalfotografie, bei dem innerhalb von nur ca. 15 Jahren große, erfolgreiche Firmen wie Kodak oder Agfa komplett irrelevant geworden sind. Und diese Firmen haben ihre Gewinne ausreichend investiert, aber leider in die falsche Technologie.

Diversifikation ist alles

Gerade da es so schwer ist, vorauszusagen, welcher Manager welches Unternehmen die richtigen Zukunftstrends früh genug erkennen wird und darauf hin die „richtige“ Menge Investitionen erfolgreich tätigt, um den Unternehmensgewinn stabil zu halten (oder sogar zu steigern) und damit den Unternehmenswert (und damit den Aktienkurs) idealerweise zu steigern…ist es am besten, einfach in möglichst viele Unternehmen gleichzeitig zu investieren. Dann habe ich zwar nicht nur lauter Amazons im Depot, sondern auch einige Kodaks. Aber in Summe sind genug Unternehmen dabei, die zumindest mittelfristig eben doch solch ein „solides Geschäftsmodell“ haben. Die Unternehmensgewinne bzw. der Unternehmenswert können so über lange Zeit mindestens mit der Inflation steigen.

Und in einem ETF, der einen Markt-Index wie den DAX oder S&P500 abbildet, werden im Zeitverlauf durch die Index-Regeln auch automatisch immer wieder die Unternehmen ausgetauscht, deren Marktwert im Vergleich zu den anderen Indexteilnehmern zu stark zurückgefallen ist. Als Eigentümerin von vielen Unternehmen bin ich durch die Möglichkeit der Preisanpassung, die Unternehmen besitzen, ideal vor der Inflation geschützt. Tatsächlich bringt ein Aktieninvestment langfristig gesehen sogar deutlich mehr als nur einen Inflationsausgleich.

Eine einzelne Aktie schützt mich noch nicht vor der Inflation. Denn hier muss ich auf das Management des einzelnen Unternehmens vertrauen, dass es die richtigen Investitionsentscheidungen trifft. Aber in der Masse, breit diversifiziert über viele Unternehmen auf der ganzen Welt, werden die Manager dieser Welt in Summe schon das Richtige entscheiden. Wichtig ist dabei nur, nicht zu kurzfristig zu denken. Denn kurzfristig werden Aktienkurse bei weitem nicht nicht nur von den allgemeinen Zukunftsaussichten des Unternehmens bzw. der Fähigkeit, Gewinne zu erwirtschaften, beeinflusst. Da überlagern die täglichen Nachrichten, Spekulationen, die Weltwirtschaft, Politik und Hypes den Börsenkurs. Stonks truly only go up – but not necessarily in the short term.

Wie breit diversifiziert bist du investiert? Macht für dich die Growth vs Value Betrachtung einen Unterschied beim Investieren? Ist für dich der Inflationsschutz ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für Aktien?

One Reply to “Warum steigen Aktien langfristig immer? // Aktien als Inflationsschutz”

  1. Sehr interessanter Artikel.
    Klar Strukturiert, gut zu lesen und bietet – zumindest für mich – einen Mehrwert.
    Vielen Dank für Deine Mühe und Arbeit.

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