Werde ich durch diesen Kauf zu einem erfolgreicheren Menschen? // Aspirational Spending
Vor einigen Wochen habe ich das Buch Work Optional einer meiner liebsten amerikanischen FIRE-Bloggerinnen Tanja Hester gelesen und durchgearbeitet. Mit Hilfe des Buchs habe ich es geschafft, meine Vision für mein Leben ohne Arbeit zu formulieren. Zudem hat es mich dazu gebracht, noch einmal gründlich über mein Verhältnis zu Geld und Sparen nachzudenken. Über einen Aspekt denke ich seit der Lektüre viel nach: Aspirational Spending.
Was ist aspirational spending?
aspirational
/ˌæspəˈɹeɪʃənəl/, englisch, Adjektiv
ehrgeizig, auf sozialen Aufstieg bedacht, in Erwartung / erwartungsvoll, einen Ertrag erhoffend, sehnsüchtig auf ein angestrebtes Ziel hin
Tanja bezeichnet damit die Art Konsum, von dem man sich erhofft, ein besserer Mensch zu werden. Das klingt erst einmal hochtrabend, hat aber jeder bestimmt schon einmal erlebt. Da kauft man sich neue Joggingschuhe, weil man sich davon erhofft, endlich mehr laufen zu gehen. Oder ein besonders schönes Notizheft, weil man endlich mit Tagebuch schreiben anfangen will. Mit den neuen Schuhen und dem hübschen Notizbuch wird es doch bestimmt leichter, anzufangen oder durchzuhalten?!
Aber das ist natürlich meist ein Trugschluss. Denn der Gang ins Fitnessstudio scheitert in den seltensten Fällen an mangelnder Ausrüstung, sondern eher an mangelnder Lust oder Disziplin. Davon kann ich auf jeden Fall ein Lied singen…
Wer gerne in Zukunft mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren will, statt mit dem Auto, braucht dafür natürlich ein Fahrrad. Aber braucht man dafür extra ein neues Fahrrad? Klar, es wird deutlich leichter, diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen, wenn ich ein neues Elektrofahrrad habe. Und noch mehr, wenn ich auch bereits die perfekte Regenkleidung besitze, sodass mich kein Wetter mehr abhalten kann. Doch brauche ich diese Dinge, bevor ich überhaupt das erste Mal mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren bin? Wer ehrlich antwortet wird merken: Nein, das wäre aspirational spending.
Die bessere Alternative
Statt sich im Vorfeld viel zu kaufen mit der Hoffnung, es dann auch zu nutzen, ergibt es aus meiner Sicht mehr Sinn, den Spieß umzudrehen. Ich kann mir vornehmen, dass ich mich mit einem bestimmten Kauf „belohne“, sobald ich ein Ziel erreicht habe. Das motiviert zusätzlich. Wer also die Sommermonate durch mehr mit dem Fahrrad gefahren ist, kann sich die Regenkleidung für den Herbst gönnen. Oder neue Laufschuhe, wenn die alten nach vielen erfolgreich absolvierten Kilometern deutlich abgelaufen sind. Das kann zusätzlich anspornen, die selbst gesetzten Ziele zu erreichen.
Allerdings sollte man sich auch hier wieder nicht zu viel erhoffen. Denn ein einzelner Kauf macht einen selten zu einem besseren bzw. erfolgreicheren Menschen. Wenn man es aber bereits geschafft hat, eine gewisse Routine zu etablieren, dann bleibt diese eher bestehen, ob mit oder ohne zusätzlichem Equipment. Vielleicht merkt man also nach einiger Zeit ohne Hoffnungskauf, dass man auch ganz ohne das schöne neue Tagebuch oder die spezielle Funktionskleidung wunderbar auskommt.
Alles hat seine Grenzen
Natürlich gilt: Wer gar kein Fahrrad hat, muss erst eins besorgen, bevor damit der Arbeitsweg bestritten werden kann. Und wer im Schrank nur noch die uralten Laufschuhe aus dem Schulsportunterricht hat, deren Gummisohle im Laufe der Zeit hart geworden ist und keinerlei Federung mehr bietet, der sollte seinem Körper dringend den Gefallen tun, sich neuere Schuhe zuzulegen bevor er losläuft. Doch nicht immer muss es deswegen gleich das teuerste Modell sein. Auch Ausleihen oder Second Hand sind oft eine Option für den Anfang. Für viele Dinge, wie den Vorsatz, Tagebuch zu schreiben, braucht man zu Anfang wirklich keine neuen Käufe.
Solange ich mir bewusst bin, dass ich gerade mit der Hoffnung konsumiere, ein besserer Mensch zu werden, muss ich mir auch nicht zwingend aspirational spending komplett verbieten. Ganz trennscharf ist die Konsumentscheidung auch selten: Wer sich mit einem schicken neuen Anzug selbstsicherer fühlt im Bewerbungsgespräch kann dadurch vielleicht tatsächlich höhere Erfolgschancen auf den Job haben. Denn Selbstbewusstsein kann bei Bewerbungsgesprächen ein entscheidender Faktor sein. Wenn ich mich jeden Tag darauf freue, das hübsche Notizbuch herausholen zu können, um dort meine Gedanken zum Tag festzuhalten, kann diese Vorfreude dabei helfen, die gewünschte Tagebuch-Routine zu etablieren. Wichtig ist eben, sich zu hinterfragen und bewusste Entscheidungen zu treffen. Dafür muss man sich selbst gut kennen und ehrlich auf vergangene Ziele und entsprechende Käufe schauen schauen.
Ist mein geplanter Kauf aspirational spending?
Das aspirational spending Konzept beschäftigt mich, da ich es als gar nicht so leicht empfinde, diese Linie zwischen brauchen und hoffen zu ziehen. Ich persönlich denke derzeit darüber nach, ob ich mir einen neuen Laptop kaufen möchte. Mein derzeitiger Laptop ist etwas mehr als 7 Jahre alt. Ich nutze ihn so gut wie nie. Ich erledige fast alles auf meinem Smartphone. Für die 1-2 offiziellen Briefe im Jahr nutze ich meinen dienstlichen Laptop (denn nur bei der Arbeit kann ich Briefe überhaupt ausdrucken…). Meinen Blog schreibe jeden Sonntag auf Christophs Desktop-PC, der in unserem Arbeitszimmer steht.
Meinen eigenen Laptop schalte ich nur sehr ungerne an, da er unglaublich langsam ist. Alle zwischenzeitlichen Versuche der Beschleunigung (Cleaner, Defragmentation, etc.) haben nicht geholfen. Eine SSD Festplatte, welche die Zeit zum Hochfahren deutlich verkürzen würde, hat der Laptop nicht. Mein vorheriger Laptop war in den letzten Wochen meines Studiums, mitten während der Masterarbeit kaputt gegangen. Ich brauchte innerhalb eines Tages Ersatz und wusste, dass ich das neue Gerät nach dem Studium kaum mehr nutzen würde. Daher hatte ich damals bewusst ein günstiges Modell ohne SSD gewählt. Ich brauche eigentlich keinen Laptop.
Uneigentlich?
Aber uneigentlich habe ich die Hoffnung, dass ich mehr und besser bloggen würde, wenn mein Laptop doch nur besser (also schneller) funktionieren würde. Jetzt braucht man für Blogs wahrlich keinen Hochleistungsrechner. Aber jedes Mal 10 Minuten Wartezeit, bis man mit dem Schreiben anfangen kann, sind eben auch nicht optimal. Zusätzlich finde ich es deutlich einfacher, auf einer physischen Tastatur zu tippen, statt auf die Bildschirmtastatur von Smartphone oder Tablets angewiesen zu sein. Auf meinem dienstlichen Laptop möchte ich ungerne arbeiten, da mir eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit wichtig ist. Aus diesem Grund habe ich auch schon seit dem Berufseinstieg zwei getrennte Smartphones. So kann ich das dienstliche Handy auch einfach mal physisch weglegen, ohne ständig an die Arbeit erinnert zu werden.
Ich erträume mir, dass ich mit einem besseren Laptop auch häufiger schreiben würde. Denn dann könnte ich auch im Wohnzimmer bloggen, statt extra ins Arbeitszimmer an den PC gehen zu müssen. Aber gleichzeitig bezweifele ich diese Wunschvorstellung auch stark, denn meine Unfähigkeit, mich unter der Woche zum Schreiben aufzuraffen, liegt doch sicherlich nicht nur an den 7 Schritten zwischen Wohn- und Arbeitszimmer, oder?
Viele Wünsche und Hoffnungen
Ich schreibe 99% meiner Artikel an einem Stück, Sonntags, am Tag ihrer Veröffentlichung. Zur Anfangszeit des Blogs hatte ich einen Puffer von 3-5 Artikeln, die ich bereits fertig geschrieben hatte. Doch schon seit vielen Monaten schreibe ich quasi immer unter Zeitdruck, insbesondere, wenn ich an dem Wochenende noch andere Pläne habe (Ausflüge, Treffen, Veranstaltungen, Urlaub). Selbst wenn ich mal eine Woche Vorsprung gewinne, schmilzt dieser meist schnell wieder ab.
Ich habe die Vorstellung, dass ich qualitativ bessere oder rechercheintensivere Artikel schreiben könnte, wenn ich aus diesem wöchentlichen All-in-one-Go-Arbeitsmodus herauskommen würde. Eine andere amerikanische Bloggerin, die ich gerne lese, Purple, hat neulich berichtet, dass sie immer wieder über die Woche verteilt kleine Schreib-Sessions einlegt und normalerweise über einige Wochen verteilt an einem bzw. mehreren Artikeln arbeitet. Ich würde mir wünschen, auch so konsequent über längere Zeit an einem Artikel schreiben zu können, da ich überzeugt bin, dass ich dann noch bessere Blogartikel schreiben würde.
Ist mein geplanter Kauf aspirational spending? Ich glaube schon.
Doch hat meine Wunschvorstellung davon, auf andere Art (regelmäßiger, vorausplanender, in kleineren Abschnitten, über längere Zeit) an Blogartikeln zu arbeiten, wirklich etwas damit zu tun, ob ich einen besseren Laptop besitze? Ich glaube nicht. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, handelt es sich bei meinem Wunsch nach einem neuen Laptop um aspirational spending. Zu versuchen, auf andere Art und Weise – und damit hoffentlich besser – zu bloggen, kann ich auch ohne diesen Kauf. Mehr zu dieser Ambition, und wie ich versuchen will, sie umzusetzen, dann aber später, zum 2. Blog-Geburtstag Ende September 🙂
Kennst du aspirational spending von dir selbst? Welchen Kauf hast du in der Vergangenheit getätigt, bei dem sich dann später herausstellte, dass der erhoffte Effekt, ein besserer Mensch zu werden, ausgeblieben ist? Bei welchen Konsumentscheidungen kommt du immer wieder in „Versuchung“? Gibt es vielleicht sogar ein Beispiel, wo ein solcher Kauf dich tatsächlich motiviert hat, eine neue Routine zu etablieren? Hast du dich schon einmal nach einiger Zeit für eine erfolgreiche Veränderung durch den Kauf von neuem Equipment/Gadgets/etc. belohnt?
Hi, eine HDD kann man immer durch eine SSD ersetzen. Ohne alles neu installieren zu müssen.
– Kauf einer 2,5 Zoll die mindestens so gross ist wie die alte HDD + Gehäuse um die SSD extern über USB anzuschließen.
– Anschließen
– https://de.minitool.com/sicherung/ installieren
– Clonen
– SSD gegen HDD umbauen
– fertig,
Grüße
Klar geht das, aber das lohnt sich bei einem 7 Jahre alten Laptop doch gar nicht?! Ich könnte das auf keinen Fall selbst (da scheitere ich ja schon an Schritt 1, den richtigen Dimensionen) und bevor ich dann jemanden dafür bezahle, kann ich mir auch einfach für ein paar hundert Euro einen brandneuen Laptop kaufen, bei dem dann auch der Akku deutlich länger hält als bei meiner alten Schildkröte 😉
Darum geht’s ja auch gar nicht, denn wie ich versucht habe zu erklären, der Laptop ist glaube ich nur eine Ausrede für mich.
Viele Grüße
Jenni
Hallo,
du beschreibst da ein Phänomen, das durch die Werbung natürlich ordentlich befeuert wird. Ich glaube, dass nicht nur Fitnessstudios 50 % ihres Umsatzes gute Vorsätzen verdanken. Auch Amazon dürfte auf diese Weise sein Wachstum befeuern. Denn gibt es aus Sicht finanzieller Stabilität etwas noch gefährlicheres als die Symbiose aus 1-Cklick-Bestellfunktion und guten Vorsätzen? Eine ähnliche Wirkungsweise kenne ich nur noch vom Like-button in sozialen Medien und Dopamin.
Beste Grüße,
Mirko
Hallo Mirko,
sehe ich auch so. Werbung will uns ja genau das suggerieren: kauf, und dein Leben wird leichter, schöner, glücklicher und du insgesamt ein besserer Mensch. Amazon 1-Click nutze ich selbst allerdings nicht. Aber wo ich dieses Phänomen bei Amazon auch z.B. sehe ist, dass man nach Klick auf den Warenkorb quasi „weggeführt“ wird von der eigentlichen Webseite. Man soll nicht mehr zurück gehen und doch noch Alternativen in Betracht ziehen. Sondern jetzt wirklich nur noch „ungestört“ kaufen.
Up- & Cross-Selling passiert vorher („Kunden kauften auch…“)
Viele Grüße
Jenni
Als ich noch jung war, glaubte ich, dass ein bestimmter Kleidungsstil mich zu dem Menschen macht, der ich gerade sein wollte. Heute wollte ich diese sein, morgen jene, jeder dieser „Menschen“ brauchte seinen eigenen Style, was zur Folge hatte, dass ich unendlich viel Klamotten besaß und trotzdem immer mehr kaufte – und diese doch nie anzog. Weil ich nunmal ich bin. Diesen Fail habe ich vor vielen Jahren zum Glück erkannt und eingestellt.
Heute geize ich schon fast zuviel mit allen mögichen Dingen. Zum Beispiel mein Ipad, das nutze ich ganz viel. Nach langem Zögern und viel Ärger wegen altersbedingten Funktionsproblemen (software überaltert, technisch war es noch einwandfrei) habe ich mich letztes Jahr für ein neues Ipad entschieden und mich dann gefragt, warum ich das nicht schon viel eher gemacht habe – das Basismodell, welches mir als reines Surfbrett allemal reicht, kostet nur relativ wenig Geld.
Hallo Gabi,
Danke für deinen Kommentar!
Ich musste schmunzeln: Von einem Extrem zum anderen – vielleicht kommst du als nächster Schritt ja in der sprichwörtlichen goldenen Mitte an 🙂
Denn Selbsterkenntnis ist ja immer schon der erste Schritt!
Viel zu viele Klamotten hatte ich früher auch. Heute habe ich immer noch eine Schwäche für Schuhe, aber mich da schon ein bisschen besser im Griff. Ich trag nämlich auch nur einen Bruchteil davon wirklich regelmäßig.
Viele Grüße
Jenni