Was ist Inflation und wie wird sie gemessen? // Definitionen (Teil 1)

Inflationsgeld
Lesezeit: 8 Minuten

Inflation wird in so gut wie allen Finanzblogs und Rechnungen zur Altersvorsorge zwar nicht ignoriert, aber doch meist „wegdiskutiert“. Wer statt mit nominalen Renditen mit realen Renditen rechnet, der hat die Inflation implizit in seinem Plan bereits berücksichtigt. Aber ist es wirklich so einfach? Inflation ein komplexes Konstrukt. Meiner persönlichen Einschätzung nach kennen zwar viele das Wort, verstehen es aber nicht wirklich. Gerade bei den langen Zeiträumen, die beim Thema Altersvorsorge relevant sind, ist die Inflation aber nicht zu unterschätzen! Daher möchte ich dem Thema eine kleine Serie widmen. Heute geht es um die Basics: Was ist Inflation und wie wird sie gemessen?

Inflation in Zahlen

Wer sich zur Euro-Einführung Ende 2001 alle 14 damals verfügbaren Starterkits organisieren konnte, hielt Münzgeld im Wert von 155,13 Euro in den Händen. Hat man die Päckchen alle in der Originalverpackung aufbewahrt, sind einige davon heute als Sammlerstücke sicherlich einiges Wert! Hat man all die Münzen jedoch ausgepackt, um sie einfach in ein Sparschwein zu stecken, so kann man sich mit diesen Münzen heute nur noch Waren im Wert von ca. 120 Euro kaufen. In nur 20 Jahren sind fast ein Viertel des Werts dieser Münzen verschwunden, obwohl die durchschnittliche Inflationsrate pro Jahr in diesem Zeitraum nur bei sehr moderaten 1,36% lag.

Rechnet man mit 2% Inflation über einen Zeitraum von 40 Jahren (also ungefähr dem Zeitraum, der bei mir noch bis zum gesetzlichen Rentenalter vergehen wird), wird es noch deutlicher: Ein Hundert-Euro-Schein, den ich mir heute unter’s Kopfkissen lege, ermöglicht mir bei 2% Inflation pro Jahr in 40 Jahren nur noch Waren im Wert von ca. 45 Euro zu kaufen.

Das klingt vielleicht erst einmal erschreckend. Gerade im Kontext der Altersvorsorge muss man daher Inflation genau im Auge behalten. Doch fangen wir zunächst ganz vorne an: Was ist Inflation? Und wie wird sie gemessen?

Hinweis: Wer nicht so viel lesen möchte, dem kann ich alternativ auch dieses vierminütige Video des statistischen Bundesamts empfehlen. Mit dem Abschnitt „Wie hoch ist die Inflation in der Vergangenheit gewesen?“ könntest du dann wieder einsteigen.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Was ist Inflation?

Inflation bezeichnet den Zustand, bei dem Waren und Dienstleistungen im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahrs teurer werden. Kostete eine Kugel Eis in meiner Kindheit noch eine Mark (0,5 Euro), verlangt die Eisdiele bei mir um die Ecke inzwischen sportliche 1,60 Euro für eine Kugel. Meine Mutter hat in Ihrer Kindheit für eine Kugel Eis sogar nur 50 Pfennig (0,25 Euro) bezahlen müssen. Hier ist der Preis im Laufe der Zeit also deutlich gestiegen.

Gegenteil: Deflation

Natürlich gibt es aber auch einige Dinge, die im Laufe der Zeit deutlich günstiger geworden sind. In Summe nennt man diesen Effekt, dass Waren und Dienstleistungen günstiger werden als in der Vergangenheit, dann Deflation.

Ein Beispiel: Als Kind hatte ich einen MP3-Player mit damals sagenhaften 256 MB Speicher. Da haben fast zwei ganze Alben draufgepasst! Wie viel der MP3-Player gekostet hat, weiß ich nicht mehr genau, da es ein Geschenk war. Aber nehmen wir mal 80€ an. Der ungefähr zeitgleich erschienene iPod mini (mit 4 GB) hat zu seinem Start 2004 immerhin 299€ gekostet.

Einen USB-Stick mit der gleichen Kapazität von 256 MB gibt es heute nur noch im Zehnerpack. Pro Stück kostet diese Speicherkapazität unter 2€. Einen MP3-Player mit einer so geringen Speicherkapazität gibt es nicht mehr wirklich – nur noch als „Sammlerstück“. Aber wenn es sich nicht gerade um ein Apple-Gerät handelt, ist der Sammlerwert extrem gering. Tatsächlich konnte ich bei Amazon einen MP3-Player finden, der meinem damaligen Gerät sehr ähnlich ist. Kostenpunkt: 62€. Für nur 19€ bekommt man allerdings auch bereits ältere MP3-Player mit 8 GB Speicherplatz.

Da – wie ich auch – viele Leute ihre Musik heute aber ausschließlich über das Handy streamen, sind MP3-Player insgesamt nicht mehr so nachgefragt. Das ist nicht nur bei MP3-Playern, sondern auch bei vielen anderen Waren und Dienstleistungen so. Diese Veränderungen in unserem Konsumverhalten müssen bei der Inflationsmessung natürlich berücksichtigt werden.

Wie wird Inflation gemessen?

Die deutsche Inflationsrate wird vom statistischen Bundesamt berechnet. Dafür stellen die Statistiker einen möglichst repräsentativen Warenkorb zusammen, der die Ausgaben einer Durchschnittsdeutschen gut darstellen soll. Für 12 Kategorien und mehr als 650 Warengruppen werden jeden Monat die durchschnittlichen Preissteigerungsraten im Online und Offline-Handel bestimmt. Die 12 Kategorien dieses Verbraucherpreisindex sind:

  1. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke
  2. Alkoholische Getränke und Tabakwaren
  3. Bekleidung und Schuhe
  4. Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe
  5. Möbel, Leuchten, Geräte u.a. Haushaltszubehör
  6. Gesundheit
  7. Verkehr
  8. Post und Telekommunikation
  9. Freizeit, Unterhaltung und Kultur
  10. Bildungswesen
  11. Gaststätten- und Beherbergungsdienstleistungen
  12. Andere Waren und Dienstleistungen

Ein Beispiel: Wenn Aldi den Preis für eine Packung Mehl senkt, und Lidl eine Woche später mitzieht, dann wird sich dieser deflationäre Effekt in der monatlichen Inflationsrate wiederfinden. Zumindest ein bisschen, denn natürlich sind die beiden Discounter nicht die einzigen Anbieter von Mehl auf dem Markt (wenn aber doch recht preisbestimmend). Und die Kategorie „Mehl u.a. Getreideerzeugnisse“, in der neben Mehl auch noch unter anderem Grieß enthalten ist, macht auch nur 0,36 Promille des gesamten Warenkorbs aus, den sich die Statistiker anschauen. 5 Cent weniger beim Mehlpreis bei zwei großen Discountern haben also nur einen ganz, ganz kleinen Einfluss.

Den größten Einfluss auf die monatlich berechnete Inflationsrate hat die Nettokaltmiete mit fast 20% Gewicht. Diese schwankt allerdings erfahrungsgemäß nur sehr wenig. Nur etwa 10% aller deutschen Wohnungen werden pro Jahr neu vermietet (dann meist mit hohen Mietsteigerungen gegenüber den Vormietern). Und Bestandsmieten werden selten jährlich erhöht, außer es wurden beim Einzug explizit Staffelmieten vereinbart.

Die Gewichtung der einzelnen Güter, und welche überhaupt Teil des Warenkorbs sind, wird ungefähr alle 5 Jahre, zuletzt 2015, neu festgelegt. Das aktuelle Gewicht der einzelnen Kategorien und Warengruppen kann man im Preiskaleidoskop des statistischen Bundesamts besonders gut erkennen. Die Farben symbolisieren hier die Preissteigerung oder -senkung im jeweiligen Betrachtungsmonat im Vergleich zum gleichen Monat des Vorjahres.

Preiskaleidoskop für Februar 2021: Besonders hoch (rote Felder) war die Teuerungsrate bei Glücksspielen, während Heizöl im Vergleich zum Februar 2020 besonders günstig war (blaue Felder).

Persönliche Inflation

Die durch diesen repräsentativen Warenkorb bestimmte Inflationsrate des statistischen Bundesamt muss nicht mit der persönlich erlebten Inflation übereinstimmen. Denn keiner von uns lebt ein komplett statistisch repräsentatives Leben. Wer kein Auto hat, dem können die Benzinpreise recht egal sein. Genauso brauche ich mich nicht um die Heizöl-Preise zu kümmern, wenn ich mein Haus mit Geothermie oder Pelletheizung warm halte. Wer im Eigenheim wohnt, dem können auch Mietpreissteigerungen egal sein. Und Vegetarier werden steigende Fleischpreise nicht betreffen. Als Nichtraucher sind mir die Preisschwankungen von Tabakwaren komplett egal. Einen groben Eindruck, wie die persönliche Inflationsrate im Vergleich zur statistisch repräsentativen Inflationsrate aussieht, kann man sich mit diesem Rechner des statistischen Bundesamts verschaffen. Das 90er-Jahre-Design dieses Rechners, die furchtbare UX und die leider nur geringen Einstellungsmöglichkeiten finde ich persönlich aber nicht wirklich überzeugend.

Kerninflation und Harmonisierter Verbraucherpreisindex

Neben der Inflation, basierend auf dem repräsentativen Warenkorb, gibt es auch noch die sogenannten Kerninflation. Diese berücksichtigt die Warengruppen „Lebensmittel“ und „Energie“ nicht, da diese besonders stark schwanken (und zwar in beide Richtungen). Die Kerninflation wird von der europäischen Statistikbehörde EUROSTAT aus dem harmonisierten Verbraucherpreisindex berechnet, der für Deutschland zwar die gleichen Rohdaten zu Preisveränderungen nutzt, aber unter anderem ein europaweit einheitliches, leicht anderes Gewichtungsschema der einzelnen Kategorien verwendet.

Gefühlte Inflation

Neben den Unterschieden zwischen durchschnittlicher und persönlicher Inflationsrate gibt es auch noch den Effekt der gefühlten Inflation. Während man kleinere, alltägliche Preissteigerungen bei einzelnen Waren, die man selten alleine kauft, eher nicht mitbekommt, können einem an anderer Stelle Preissteigerungen deutlich mehr auffallen. Da ich nicht jede Woche exakt die gleichen Lebensmittel kaufe, habe ich kein so gutes Gefühl dafür, ob Lebensmittel in Summe teurer sind als letztes Jahr. Die Kugel Eis, die ich immer als Einzelprodukt kaufe, ist da aber ein gutes Gegenbeispiel. Hier kenne ich den Preis direkt und erinnere mich auch gut an die Preise der Vergangenheit. Aber auch ein Friseurbesuch oder andere regelmäßig, aber nicht ständig genutzte Waren und Dienstleistungen, können Kandidaten sein, bei denen man die gefühlte Inflation besonders spürt. Gerade mit der Umstellung von Deutscher Mark zu Euro war das Thema gefühlte Inflation (Stichwort: „Teuro„) in aller Munde.

Wie hoch ist die Inflation in der Vergangenheit gewesen?

Die Inflationsrate bzw. der Verbraucherpreisindex wird immer in Relation zu einem Basisjahr gerechnet. Das aktuelle Basisjahr ist 2015. Das letzte Basisjahr davor war 2010. Bei jeder Umstellung auf ein neues Basisjahr wird der Verbraucherpreisindex (und damit die Inflationsrate) mit der dann gültigen Gewichtung der Kategorien zueinander neu in die Vergangenheit zurück gerechnet. Allerdings ist es nicht unbedingt sinnvoll, sehr weit in die Vergangenheit zurück zu rechnen, da sich an dem verwendeten Warenkorb einfach im Zeitverlauf zu viele Dinge ändern.

Je nachdem, ob man den jährlichen Durchschnitt anschaut oder wirklich Monat für Monat den Vergleich mit dem Vorjahr zieht, ergeben sich folgende historische Entwicklungen der Inflationsrate seit 1991:

Man sieht, dass die Inflationsrate Anfang der Neunziger Jahre im Vergleich zu heute sehr hoch war. Seit Mitte der 1990er bleibt die Inflationsrate aber recht konstant zwischen 0,3% und 2,6% pro Jahr.

Verschiedene Arten von Inflation

Im Korridor zwischen 0% und 5% spricht man von leichter Inflation. Auch wenn mir 5% Inflation auf Grund meiner bisherigen Erfahrungen sehr hoch vorkommen würden, sind diese Werte volkswirtschaftlich gesehen noch nicht wirklich problematisch. Erst ab 5% pro Jahr spricht man von schwerer Inflation. In solch einem Fall wird Bargeld merklich weniger Wert, sodass andere Dinge (wie Zigaretten, eine ausländische Währung oder Sachwerte wie Schmuck und Immobilien) die Funktion als „Wertaufbewahrungsspeicher“ übernehmen, den Bargeld sonst hat.

Wenn ich damit rechnen muss, dass das Geld auf meinem Konto nächstes Jahr 10% weniger wert ist, dann beeile ich mich, es auszugeben oder mit entsprechend hohen Zinsen anzulegen, statt es zinslos auf dem Konto oder im Portemonnaie versauern zu lassen. Anfang / Mitte der 70er Jahre gab es solche Inflationsraten über 5%. Allerdings hat man damals auch auf sein Sparbuch ebenfalls teilweise 5% Zinsen pro Jahr bekommen, sodass der Effekt für Sparer gar nicht so viel größer war als heute.

Spezialfall Hyperinflation

Früher hat man den Begriff Inflation ausschließlich als Synonym für Hyperinflation genutzt. Von Hyperinflation spricht man, wenn sich die Preise um mehr als 50% verteuern – pro Monat! Dagegen sind 5% pro Jahr tatsächlich gar nichts. In Phasen von Hyperinflation profitieren Schuldner, denn ihre Schulden tilgen sich quasi von selbst, während jene Sparer leiden, die ihr Geld nicht in Sachwerten angelegt haben. Wahrscheinlich kennt jeder noch das Bild aus dem Geschichtsunterricht von der Hyperinflation der 1920er Jahre. Kinder spielen mit Geldbündeln als wären es Bauklötze, weil die Scheine nicht einmal mehr das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Doch Phasen der Hyperinflation gab es nicht nur vor 100 Jahren. Viele Länder schlittern immer wieder in Phasen der Hyperinflation, die meist nur wenige Monate andauern und dann durch eine Währungsreform beendet werden. Einige neuere historische Beispiele sind Simbabwe (2006 – 2009), Weißrussland (2011 – 2012) oder auch Peru (1990).

Warum entsteht Inflation?

Hyperinflation tritt meist nach oder zusammen mit anderen Krisen wie Krieg, politischen Umbrüchen und Regierungskrisen auf. Doch spannender als diese Ausnahmesituationen ist doch die Frage, wie normale Inflation entsteht. Als studierte Volkswirtin kann ich sagen: Für kaum eine Frage gibt es mehr Theorien! Wer hier jetzt bereits tiefer einsteigen möchte, dem empfehle ich den entsprechenden Abschnitt im Wikipedia-Artikel zu Inflation. Für alle, die stattdessen lieber eine Kurzzusammenfassung lesen möchten, können mit Teil 2 dieser Serie weitermachen. Darin kläre ich auch, warum (ein bisschen) Inflation als etwas durchaus Positives gesehen wird.

Bei welcher Ware oder welcher Dienstleistung fällt dir Inflation besonders auf? Entspricht deine gefühlte Inflation der tatsächlichen Inflation seit 1991, die in den Grafiken abgebildet ist? Welche Teile des repräsentativen Warenkorbs spielen für deine persönliche Inflation nur eine geringe oder gar keine Rolle?

Berücksichtigst du die Inflation in deiner Altersvorsorge? Wenn ja, wie?

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