Bist du auch Frugalist oder Minimalist? // Verschiedene Lebensstile und FIRE

Minimalismus - einzelner grüner Zweig
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Wenn ich von meinen FIRE-Plänen erzähle, denken die meisten, dass ich ziemlich sparsam bin und versuche, so wenig Geld wie möglich auszugeben. Diese besonders starke Form der Sparsamkeit wird oft unter dem Begriff „Frugalismus“ diskutiert. Menschen, die versuchen, möglichst wenige Besitztümer anzuhäufen, werden hingegen eher als „Minimalisten“ bezeichnet. Wie unterscheiden sich diese Lebensphilosophien voneinander und von anderen Konzepten wie Nachhaltigkeit und Achtsamkeit? Und welche Rolle spielen diese Konzepte auf meinem Weg zu FIRE?

Frugalismus

Frugalisten leben bescheiden und versuchen, durch bewussten Verzicht ihre Ausgaben so weit wie möglich zu senken. Dazu müssen Sie viele Dinge hinterfragen, die andere Menschen einfach als normal ansehen. Wenn man sich auf den Weg zu FIRE macht, muss man das genauso. Zum Beispiel muss man hinterfragen, ob man sich von der nächsten Gehaltserhöhung mehr Luxus im Leben gönnen will und dafür im Umkehrschluss bereit ist, wie alle anderen bis zur Rente zu arbeiten. Oder ob man stattdessen nicht eigentlich mit dem Leben, das man aktuell lebt, eigentlich schon sehr zufrieden ist, und daher jeden Einkommenszuwachs dazu nutzen kann, die eigene Sparrate zu erhöhen.

Die Ökobilanz von Frugalismus

Frugalismus heißt selbst reparieren
Selbst ist der Frugalist!

Frugalisten stellen viele Gegenstände aus Kostengründen selbst her oder reparieren diese eigenständig. In dieser Hinsicht ist ihr Leben also vorbildlich nachhaltig. Wer jedoch aus Kostengründen im Discounter nur das günstigste Fleisch kauft, hat in Sachen Öko-Bilanz noch Luft nach oben. Verzichtet man wiederum ganz auf Fleisch, ist das nicht nur gut für’s Portemonnaie, sondern meist auch gut für die Umwelt.

Vegetarier bin ich selbst nicht. Ich achte darauf, bei tierischen Lebensmitteln nur Bio-Produkte zu kaufen. Die besseren Aufzuchtbedingungen sind mir den höheren Preis wert. Ich versuche meine eigene Ökobilanz also eher dadurch zu verbessern, dass ich bewusst nachhaltigere Produkte kaufe (z.B. palmölfreie Putzmittel). Frugalisten hingegen verringern ihren ökologischen Fußabdruck eher dadurch, dass sie insgesamt so wenig wie möglich überhaupt kaufen. Bei den Dingen, die sie dann doch kaufen müssen bzw. wollen, zählt dann vielleicht eher der günstigste Preis. Aus meiner Sicht sind beides gute Wege, etwas für die Umwelt zu tun. Niemand ist perfekt und lebt absolut nachhaltig.

Minimalismus

Auch Minimalisten versuchen, möglichst wenig zu konsumieren. Im Minimalismus geht es aber eher um das befreiende Gefühl, das mit dem Verzicht auf zu viel Schnickschnack bzw. die Konzentration auf „das Wesentliche“ einhergeht. Es geht Minimalisten dabei oft darum, mehr Freude und Glück aus dem eigenen Hab und Gut zu ziehen, indem jedem einzelnen der wenigen Gegenstände eine besondere Bedeutung zukommt. Marie Kondo, die für ihre minimalistische Aufräum-Show auf Netflix bekannt ist, stellt daher ihren Lehrlingen auch immer wieder die Prüffrage: „Does it spark joy?“

Minimalisten agieren allerdings nicht primär aus Sparsamkeit. Das Konzept des Minimalismus kommt vielmehr aus der Kunst, sodass die Dimension „Design“ für manche Minimalisten auch einen hohen Stellenwert hat.

Minimalismus - wenig aber schönes
Moderne Kunst: Mac mit Blatt

Wer nur wenige, hochwertige und damit hoffentlich langlebige Kleidungsstücke besitzt, der hat schon einmal eine deutlich bessere Umweltbilanz als Fast-Fashion-Fans. Minimalismus und Nachhaltigkeit können eng miteinander verknüpft sein, müssen es aber auch nicht zwangsläufig. Minimalismus hat allerdings eine starke Verknüpfung zum Thema Achtsamkeit und psychologischer Gesundheit.

Minimalismus und Freiheit?

Die Fokussierung auf wenige, glücksstiftende materielle Dinge soll mehr Freiheit ermöglichen, nicht nur wortwörtlich räumlich, sondern auch sinnbildlich im Kopf. An dieser Stelle überschneiden sich die beiden Konzepte Minimalismus und FIRE, denn wer nach der finanziellen Unabhängigkeit strebt, versucht auch, freier als zuvor leben zu können. Mir persönlich geht es bei meinem Weg zu FIRE vor allem um die Freiheit, meine Zeit selbst einteilen zu können (ich bin eine Nachteule) und die Freiheit, mich mit den Dingen mehr beschäftigen zu können, die mich interessieren (die Finanzbranche, mit der ich beruflich zu tun habe. ist zwar spannend, aber viele andere Themen finde ich mindestens genauso spannend). Als Minimalist würde ich mich selbst gar nicht bezeichnen. Ich besitze eine Menge Krimskrams, der eigentlich schon längst aussortiert gehört (z.B. meine Sammlung von kleinen Schildkrötenfiguren, die inzwischen nur noch im Keller einstaubt). Diese Dinge erzeugen bei mir zwar keine Freude, allerdings habe ich auch nicht das Gefühl, dass sie mich belasten. Ich muss mich also nicht von etwas trennen, um mich auf „das Wesentliche“ konzentrieren zu können oder glücklicher zu werden. Ich bin auch eher praktisch veranlagt, sodass ich mich bei den meisten Käufen nicht primär von Designaspekten leiten lasse.

Ist man „Aussteiger“, wenn man FIRE ist?

Als Aussteiger bezeichnet das Wörterbuch Menschen, die ihren Beruf, ihre gesellschaftlichen Bindungen o. Ä. aufgibt, um von allen Zwängen frei zu sein. Dabei würde ich drei verschiedene Typen Aussteiger unterschieden:

  1. Menschen, die Sekten oder andere Subkulturen (wie z.B. die Neonazi-Szene) verlassen und damit ihre bisherigen sozialen Strukturen hinter sich lassen
  2. Menschen, die in ein anderes Land gehen, um einem anderen Lebensstil nachzugehen (z.B. Tauchlehrer in Thailand oder Strandbarbesitzer in Costa Rica) und damit sowohl ihren bisherigen Beruf als auch oft ihre bisherigen sozialen Strukturen aufgeben, um sich ihr Leben neu aufzubauen
  3. Menschen, die sich entscheiden, keinem Beruf mehr nachzugehen und fortan mit möglichst wenig Kontakt zum Rest der Gesellschaft bzw. anderen Menschen zu leben, z.B. als Einsiedler in einer Hütte im Wald

Typ 1 hat mit FIRE nichts zu tun. Bei den Aussteigern, die in ein anderes Land ziehen, gibt es schon mehr potentielle Überschneidungen. Es kann Teil des FIRE-Plans sein, im Rentenalter in ein anderes Land zu ziehen, um von den günstigeren Lebenshaltungskosten dort profitieren zu können. Der Vorteil ist, dass man dann nicht ganz so viel ansparen muss und sich trotzdem einen ähnlichen Lebensstil leisten kann wie im Arbeitsleben. Das Konzept nennt man Geo-Arbitrage. Und wer weiß, vielleicht eröffnet man dann im Rentenland als Hobby auch eine Strandbar?

Hütte im Wald
Von drauß‘ vom Walde komm ich her…

Der Unterschied ist aber, dass FIRE eher ein langfristiger Plan ist, auf den man hinspart, während Aussteiger meist eher spontan handeln und daher auch im Auswanderungsland auf ein Erwerbseinkommen angewiesen sind.

Auch mit dem Einsiedler-Aussteiger hat FIRE nur wenig zu tun. Beide arbeiten zwar nicht mehr, aber das Ziel von FIRE ist nicht die Abkapselung von der Gesellschaft. Stattdessen geht es vielen Menschen auf dem Weg zu FIRE darum, der Gesellschaft wieder etwas zurückzugeben und z.B. mehr Zeit für ehrenamtliches Engagement und Hobbys und Unternehmungen mit Freunden zu haben. Darauf freue ich mich für meine RE-Zeit schon sehr!

Es gibt viele verschiedene Lebensstile, die mit FIRE zusammenpassen. Man muss aber weder Frugalist noch Minimalist sein, um sich auf den Weg zu FIRE zu machen. Und mit den klassischen „Aussteigern“, über die gerne Reportagen gedreht werden, weil ihr Leben mit ihrer Schrulligkeit die Zuschauer fasziniert, hat FIRE meist nur sehr wenig zu tun. Man muss für sich selbst den eigenen Weg finden.

Siehst du dich selbst als Frugalist? Oder als Minimalist? Oder keins von beidem? Was gefällt dir an diesen Lebensphilosophien? Was ist dir vielleicht zu extrem?

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