Wie bist du krankenversichert? // Krankenversicherung und FIRE
In der Kindheit und im Studium war ich (bis auf ein kurzes Praktikum während des Studiums) die meiste Zeit über die Krankenkasse meiner Mutter familienversichert. Ich musste also keine eigenen Krankenkassenbeiträge zahlen. Erst zum Berufseinstieg habe ich mich zum ersten Mal wirklich mit dem Thema Krankenversicherung (KV) auseinandergesetzt. Da ich in der glücklichen Lage war, direkt zum Berufseinstieg oberhalb der Versicherungspflichtgrenze – auch Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) genannt – zu verdienen (damals 54.900€ p.a., heute 62.550€), stand ich vor der Frage: Private oder gesetzliche Krankenversicherung?
Vorteile der privaten Krankenversicherung
Niedrige Beitragshöhe in jungen Jahren
Der Kernvorteil der privaten Krankenversicherung (PKV) liegt sicherlich in den niedrigeren Beiträgen, die von jungen Versicherten gefordert werden. In den PKV-Angeboten, die ich damals während meiner Entscheidungsphase eingeholt habe, lag der Basisbeitrag oft um die 300€ pro Monat. Genau wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auch zahlt der Arbeitgeber 50% der KV-Beiträge (bis zu einem Höchstbetrag), sodass die effektiven Zahlungen mit zu Beginn teilweise unter 200€ pro Monat deutlich günstiger sind als die Beiträge zur GKV.
Wie viel kostet die GKV im Vergleich?
Wer über der Versicherungspflichtgrenze/JAEG liegt, der liegt auch automatisch über der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) für die Krankenversicherung. Diese liegt aktuell bei 56.250€ p.a.. Bis zu dieser Grenze steigt der Krankenkassenbeitrag in der GKV proportional zum Einkommen. Wer über der BBG verdient, muss aber keine höheren Beiträge mehr bezahlen. Inkl. Krankenkassen-individuellen Zusatzbeitrag liegt die Gesamtzahlung an die GKV also bei hohen Einkommen maximal bei ca. 700€, wovon wieder die Hälfe vom Arbeitgeber gezahlt wird.
Lohnt sich das?
Bei einer Beitragsdifferenz von anfänglich ca. 150€ pro Monat, also 1.800€ im Jahr, klingt die Entscheidung doch erstmal wie eine klare Sache. Allerdings ist die ganze Sache allein aus finanzieller Sicht dann doch gar nicht so einfach, wie es zunächst klingt.
Denn sehr viele PKV-Tarife sind nur deswegen so günstig, weil der Versicherte sich auf einen Selbstbehalt, z.B. 500€ einlässt. Das bedeutet im Klartext, dass die ersten 500€ an Arztrechnungen erst einmal aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Gleichzeitig bieten viele PKV-Anbieter auch eine Beitragsrückerstattung an. So bekommen Versicherte, die gesund bleiben, bzw. keine Rechnungen einreichen, einen Teil ihrer gezahlten Beiträge zurück, oft z.B. drei Monatsbeiträge, was mehrere hundert Euro sind. Ob sich die ganze Sache rein finanziell lohnt, ist also vor allen Dingen eine Frage der eigenen Gesundheit. Bleibt man gesund und nutzt die Versicherungsleistungen nicht oder nur wenig, kann man durch die niedrigen Anfangsbeiträge und Rückerstattungen Geld sparen mit einer PKV im Vergleich zur GKV.
Gesundheitliche Vorteile?
Natürlich wird als Vorteil der privaten Krankenversicherung auch die bessere Leistungsqualität gesehen. Es wird leider immer wieder durch anonyme Tests bestätigt, dass Privatpatienten schneller Arzttermine bekommen. Da die Sätze, die Ärzte für ihre Leistungen abrechnen können, bei Privatpatienten höher sind, erhalten sie zudem oft auch eine bessere, zumindest aber ausführlichere Behandlung. Nicht immer ergibt mehr Behandlung aus gesundheitlichen Gründen aber auch mehr Sinn.
Geld ist nicht alles im Leben
Die Entscheidung für oder gegen die private Krankenversicherung sollte daher nicht nur aus finanziellen Gründen getroffen werden. Und auf keinen Fall sollte man sich nur auf Grund der relativ kleinen Ersparnis von einigen tausend Euro pro Jahr in jungen Jahren dafür entscheiden. Denn die Beiträge für die GKV erhöhen sich in der Regel nur moderat. Im Kern ergeben sich Erhöhungen für Einkommen oberhalb der BBG aus der jährlichen Anpassung der BBG nach oben (der KV-Beitrag wird als Prozentsatz der BBG gerechnet und steigt somit absolut gesehen) oder durch Gesetzesänderungen. Falls die eigene GKV den Zusatzbeitrag erhöht, kann man ggf. in eine andere gesetzliche Krankenkasse wechseln, die ähnliche Leistungen zu einem leicht niedrigeren Preis (Zusatzbeitrag) bietet. Der Wechsel von einer privaten Krankenkasse zu einer anderen ist auch möglich, aber deutlich komplizierter.
Denn im Gegensatz zum Solidarsystem der gesetzlichen Krankenkassen, spart man im System der privaten Krankenkassen im Kern Geld für sich selbst im höheren Alter an. Natürlich gibt es auch in diesem System immer noch eine Versicherungsleistung. Die Gesundheitskosten übernimmt der Krankenversicherer natürlich auch dann, wenn die eigenen, bisher angesparten Beiträge nicht ausreichen. Wenn die private Krankenversicherung sich allerdings nicht nur bei einer Einzelperson verschätzt hat, wie hoch die Gesundheitskosten sind, sondern bei allen gleichaltrigen Versicherten im Tarif, dann müssen die Beiträge steigen, um das Loch im Geldbeutel zu stopfen. Dem kann man nur durch Leistungsverzicht (höherer Selbstbehalt oder Leistungsausschluss) oder einen Tarifwechsel (in einen gleichwertigen oder schlechteren Tarif) entkommen. Wer sich also dafür interessiert, durch den Wechsel in die private Krankenversicherung durch die niedrigeren Beiträge in jungen Geld zu sparen, der sollte sich immer auch Gedanken über den finanziellen Implikationen für den Rest seines Lebens machen.
Vorteile der gesetzlichen Krankenversicherung
Familienversicherung
Denn neben den ggf. stärker als erwartet steigenden Beiträgen im Alter ist ein finanzieller Vorteil der gesetzlichen Krankenversicherung auch die sogenannte Familienversicherung, von der ich bis zu meinem Berufseinstieg profitiert habe.
Kinder und Ehepartner ohne eigenes Einkommen dürfen im Rahmen der Familienversicherung ohne Zusatzkosten mitversichert werden. In der privaten Krankenversicherung müsste jeder einen eigenen Vertrag mit eigenen Beiträgen abschließen. Der Beitragsvorteil von ca. 150€, den wir oben betrachtet haben, ist bei zwei Kindern, die eine eigene PKV bezahlen müssen, spätestens wieder dahin.
Die Familienversicherung ist nicht nur für eigene Kinder relevant, sondern kann auch greifen, wenn nur ein Partner arbeitet, der andere aber Hausfrau/Hausmann ist und kein eigenes Einkommen besitzt oder nur einen Mini-Job ausübt.
Krankenversicherung der Rentner
Die Krankenversicherung der Rentner ist keine eigenständige Versicherung, sondern nur ein Name für den Status, den man im Alter haben kann, sobald man gesetzliche Rente bekommt. Wer in der Krankenversicherung der Rentner ist, für den übernimmt die Rentenversicherung die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge, die auf diese gesetzliche Rente fällig werden. Dieser Zuschuss ist also ähnlich wie früher im Arbeitsleben der Zuschuss des Arbeitgebers zur Krankenversicherung. In den Genuss dieses Zuschuss kommen aber nicht automatisch alle Rentner. Denn nur, wer den Großteil der Zeit vor der Rente auch schon in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war, kann Mitglied der Krankenversicherung der Rentner werden. Alle anderen Rentner müssen ihre Krankenkassenbeiträge komplett selbst tragen.
Wer privat versichert ist, muss seine Beiträge im Rentenalter sowieso selbst zahlen. Diese sind hoffentlich durch die in der PKV eingebauten Beitragsentlastungsmechanismen etwas niedriger als noch im Arbeitsleben. Wer gesetzlich versichert ist, aber nicht die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner erfüllt, muss seine Krankenkassenbeiträge auch für die GKV vollständig selbst tragen.
Die beste Krankenversicherung für FIRE?
Zunächst erscheint es erst einmal logisch, die geringeren Beiträge der privaten Krankenversicherung in jungen Jahren dafür zu nutzen, seine Sparrate zu erhöhen. So könnte man schneller FIRE erreichen. Mir persönlich ist das Risiko möglicherweise stark steigender PKV-Beiträge im Alter aber zu groß für meinen FIRE-Plan. Die Beiträge zur GKV werden aus meiner Sicht im Gegensatz dazu deutlich moderater steigen.
Hinzu kommt, dass die GKV-Beiträge in der FIRE-Zeit verglichen mit möglichen PKV-Beiträgen im gleichen Altersabschnitt recht niedrig sein werden. Zur Erinnerung: Die Einstiegsbeiträge für die PKV liegen für junge Leute oft bei nur 200 oder 300€ Eigenanteil pro Monat. Zwischen 40 und 60 Jahren sollte man allerdings wahrscheinlich eher mit einem Eigenanteil von zwischen 300€ und 400€ rechnen, also Gesamtbeiträgen von ca. 600-800€.
GKV-Beitrag in der RE-Zeit
Im Vergleich dazu liegt der maximale Beitrag in der GKV auch nur bei ca. 700€ für eine Einzelperson, wovon die Hälfte Eigenbeitrag ist. Allerdings muss man diesen auch nur bei einem Einkommen über der BBG zahlen, also aktuell 56.250€. Das ist von der Größenordnung her etwa das Geld, das Christoph und ich zusammen pro Jahr in unserer FIRE-Zeit ausgeben wollen. Wenn also unsere gemeinsamen Ausgaben und damit unser Nettoeinkommen etwa der BBG entsprechen soll in unserer RE-Zeit, dann müssen wir individuell natürlich nur die Hälfe dieses Nettoeinkommens generieren. Unser gemeinsamer Krankenkassenbeitrag entspräche damit rechnerisch ungefähr dem oben genannten Höchstsatz von 700€ bzw. läge knapp darüber (da wir individuell ja nicht von der Kappung der Beiträge an der BBG profitieren, wenn unser jeweiliges individuelles Einkommen darunter liegt). Viel mehr als 400€ pro Monat pro Person werden es wahrscheinlich nicht sein. Hinzu kommen dann noch die Beiträge zur Pflegeversicherung.
Auf Grund unseres „geringen“ geplanten Einkommens in der RE-Zeit und der Tatsache, dass die GKV-Beiträge einkommensabhängig berechnet werden, liegen unsere Ausgaben für die GKV in der RE-Zeit sogar unter den Beiträgen, die wir für eine PKV ausgeben müssten. Denn in der RE-Zeit müssen wir immer 100% der Beiträge zahlen, der 50%-Arbeitgeberzuschuss entfällt.
GKV-Beiträge nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters
Falls wir jemals gesetzliche Rente bekommen (und auch wenn es nur sehr wenig sein wird), werden die auf diesen Betrag erhobenen Krankenkassenbeiträge zu 50% von der Krankenversicherung der Renter bezuschusst (sofern es die dann noch gibt, man weiß ja nie). Auf unsere restlichen Einnahmen aus vielen anderen Quellen, z.B. Dividenden und Zinsen, müssten wir keine Krankenkassenbeiträge zahlen, weil wir in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert wären auf Grund unserer langjährigen freiwilligen Mitgleidschaft in der GKV.
Der Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner berechnet sich nur auf Basis der Einnahmen aus gesetzlicher Rente, Arbeitseinkommen und sogenannten Versorgungsbezüge (wie Betriebsrenten, Pensionen oder Zahlungen von Versorgungswerken). Alle anderen Einnahmequellen bleiben für Pflichtversicherte beitragsfrei. Das wäre für uns ein enormer finanzieller Vorteil im Alter, da unser Einkommen aus diesen beitragspflichtigen Quellen und damit unsere Krankenversicherungsbeiträge gering wären.
Dieser Effekt überwiegt auch ganz klar die vielleicht 20.000€ Gesamtvorteil, die ich durch geringere Beiträge in jungen Jahren in der PKV bis zu meinem Ziel, FIRE mit 45 Jahren, noch erreichen könnte. Denn wenn die PKV-Beiträge nach diesen ersten 15 Jahren für mich immer mindest gleich hoch oder höher liegen würden, wäre der Vorteil schnell dahin, selbst bei renditeträchtiger Anlage des gesparten Gelds. Mal schauen, ob alles so wie beschrieben bleibt, bis wir das offizielle Rentenalter erreichen…Die Finanzen sollten aber, egal mit welcher Art von Krankenversicherung jedenfalls meiner Meinung nach nie wichtiger als die eigene Gesundheit sein.
Wofür hast du dich entschieden bei der Krankenversicherung? Gesetzlich oder privat? Wie schätzt du die Entwicklung der Beiträge in der privaten Krankenversicherung ein? Glaubst du an nur moderate Anstiege oder starke Beitragssteigerungen im Alter? Oder glaubst du an eine komplette Reform des Krankenversicherungssystems in Deutschland, z.B. die oft diskutierte Bürgerversicherung?
2 Replies to “Wie bist du krankenversichert? // Krankenversicherung und FIRE”