Welchen Lebensstandard möchtest du in der Rente haben? // Fat FIRE vs Lean FIRE

Dickes Schwein
Lesezeit: 12 Minuten

In der FIRE-Community gibt es viele Begriffe für Meilensteine, die für Außenstehende erst einmal schwer verständlich sind: FIRE, als Financially Independent, Retired Early definiert, wird z.B. oft zusammen mit den Abgrenzungen „Lean FIRE“ oder „Fat FIRE“ verwendet. Hinter diesen Begriffen verbirgt sich eine Aussage darüber, mit welchem monatlichen Budget in der RE-Zeit gerechnet wird. „Fat FIRE“ wird oft so definiert, dass es bei monatlichen Ausgaben von mindestens 10.000 US-Dollar beginnt. „Lean FIRE“ wird in Deutschland oft mit „Knapp über Hartz IV-Niveau“ umschrieben. Genaue Grenzen gibt es bei diesen Begriffen natürlich nicht. Aber vielleicht kann man sich mit Statistiken diesen Begriffen trotzdem etwas nähern? Ein Versuch.

Was für den Einen ein luxuriöses monatliches Ausgabenniveau darstellt, reicht für Andere kaum zum Überleben

Ein Beispiel: Wer in Chemnitz eine 60qm Wohnung mietet, muss 5,21€ pro Quadratmeter bezahlen. Mit Nebenkosten, Strom, Internet, etc. kommt man mit 450€ für den Block Wohnen also wahrscheinlich sehr gut aus.

In München kostet eine 60qm Wohnung laut Mietspiegel 21,35€ pro Quadratmeter. Allein die Kaltmiete beträgt im Durchschnitt also fast 1.300€ pro Monat. Leben die beiden Personen in Chemnitz und München ansonsten den exakt gleichen Lebensstil und haben daher die gleichen sonstigen Konsumausgaben, macht der Unterschied in den Mietkosten trotzdem einen jährlichen Budgetunterschied von fast 12.000€ aus. Rechnet man der Einfachheit halber mit der beliebten 4%-Regel, muss der Münchner bis zum Erreichen von FIRE fast 300.000€ mehr ansparen als der Chemnitzer.

Chemnitzer Schlossteich
Sieht doch ganz nett aus in Chemnitz, oder?

Auf Grund solcher Unterschiede finde ich die Diskussion über starre Grenzen zwischen den Monatsausgaben von „Lean FIRE“ und „Fat FIRE“ schwierig. Vielmehr sollte es meiner Meinung nach um den Lebensstil und die Konsumentscheidungen gehen statt um absolute Summen. Trotzdem hilft es aus meiner Sicht, sich zur Einordnung der eigenen Situation mit den relevanten Durchschnittswerten vertraut zu machen.

Statistiken helfen bei besserer Selbsteinschätzung

Wie viel Geld ist eigentlich „knapp über Hartz IV-Niveau“?

Generell kann man sagen, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) besteht, wenn das Einkommen unterhalb des Existenzminimums liegt. Das Existenzminimum liegt im Jahr 2021 für Einzelpersonen bei 9.744 Euro. Das entspricht 812€ pro Monat und ist auch gleichzeitig ungefähr der Steuerfreibetrag bis zu dem zumindest steuerlich Brutto=Netto gilt. Wer tatsächlich Hartz IV bezieht, bekommt als Einzelperson aktuell 446€ pro Monat (bzw. 401€ pro Person bei Paaren) und zusätzlich die Wohnung und Heizkosten bezahlt. Insgesamt kann also die bezogene Leistung durchaus deutlich höher als bei 812€ pro Monat liegen. Denn in den meisten Städten, die nicht Chemnitz sind, werden die Kosten für die Wohnung und Heizkosten die ca. 400€ Differenzbetrag eher überschreiten. In München gelten z.B. 640€ für eine 50qm Single-Wohnung als angemessen und werden daher übernommen.

Ich persönlich würde daher ein Ausgabenniveau von ca. 1.000€ pro Monat für eine Einzelperson, je nach Wohnort und Mietkosten, als „knapp über Hartz IV-Niveau“ sehen. Oliver von frugalisten.de gibt im Schnitt sogar weniger aus (profitiert hierbei aber von sehr günstigen Wohnkosten).

Quelle: HartzIV.org

Rechnet man die Wohnkosten, die stark variieren können, heraus, bleiben dem Hartz IV-Empfänger ca. 370€ für seinen persönlichen Konsum. („Persönlicher Konsum“ klingt so nett und nach Luxus. Korrekter wäre wahrscheinlich „zum Überleben“). Oliver liegt hier bei ca. 530€ und gönnt sich so auch Urlaube, die Hartz IV-Bezieher nicht machen können. Aber kommen wir vom absoluten Minimum nun zum Durchschnitt, der für die Meisten etwas besser mit der eigenen Situation vergleichbar ist.

Wie viel Geld geben die Deutschen im Durchschnitt aus?

Laut Statistischem Bundesamt lagen die Ausgaben eines Single-Haushalts 2019 bei 1.695€ pro Monat, wovon ca. 40% auf den Block Wohnen entfallen. Ein Zwei-Personen-Haushalt gab im Schnitt 2.923€ aus, also das 1,7-fache. Der Anteil für Wohnen sinkt dann auf unter 35%. Doch diese Durchschnittswerte verschleiern einen aus meiner Sicht sehr interessanten Zusammenhang: Je höher nämlich das Einkommen, desto höher auch das Ausgabenniveau des Haushalts. Relativ gesehen sinkt allerdings der Anteil des Einkommens, der für Konsum ausgegeben wird.

Monatliches EinkommenDurchschnittliche Ausgaben pro MonatAusgabenquote
ABis 1.300€1.025€>88%
B1.300€ bis 2.600€1.709€88%
C2.600€ bis 3.600€2.407€78%
D3.600€ bis 5.000€3.043€71%
Emehr als 5.000€4.415€<71%
Quelle: Statistisches Bundesamt

Haushalte, die zwischen 3.600€ und 5.000€ monatliches Einkommen besitzen, geben im Schnitt nur noch ca. 70% davon für Konsum aus. Haushalte mit einem monatlichen Einkommen zwischen 1.300€ und 2.600€ hingegen geben fast 88% ihres Einkommens aus. Intuitiv einleuchtend, denn nur weil man mehr Einkommen hat, steigen ja nicht alle Kosten (z.B. für Lebensmittel oder Dienstleistungen wie den Friseur) automatisch mit. Besonders stark ist dieser Effekt ab der Gruppe, die bei 2.600€ beginnt. Ab hier steigen die Ausgaben dann um 30% weniger stark als die Einnahmen.

Zwar kann man auf Basis der vorhandenen Daten keine repräsentativen Aussagen treffen, aber es hat mich doch überrascht, dass der Effekt (siehe nächste Tabelle) in den beiden Gruppen a) von 2.600€ bis 3.600€ und b) 3.600€ bis 5.000€ ähnlich groß zu sein scheint, statt weiter zuzunehmen. Beide Gruppen nutzen ca. 70% ihres Einkommensanstiegs für mehr Konsum. Da schlägt dann wohl doch irgendwann die Lifestyle-Inflation zu.

Vergleich der GruppenAnstieg Einkommen
(Mittelwert der Gruppengrenzen), in %
Anstieg Ausgaben in %Anteil Einkommensanstieg, der
gespart statt mehr konsumiert wird
A zu B+70% mehr Einkommen
(von ca. 1.150€ zu 1.950€)
+67% mehr Ausgaben4%
B zu C+59% mehr Einkommen
(von 1.950€ zu 3.100€)
+41% mehr Ausgaben31%
C zu D+39% mehr Einkommen
(von 3.100€ zu 4.300€)
+26% mehr Ausgaben32%
Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Schätzung der „Mittelwerte“ je Gruppe

Was ist denn jetzt wirklich durchschnittlich?

Da die durchschnittlichen Konsumausgaben über alle Haushaltsgrößen und Einkommen bei 2.574€ pro Monat liegen, kann man sich meiner Meinung nach ungefähr an diesem Wert als Untergrenze und den oben genannten 2.923€ für den 2-Personen-Haushalt orientieren. Die durchschnittliche Haushaltsgröße liegt in Deutschland aktuell nämlich ziemlich genau bei 2 Personen. Zwischen 2.500€ und 3.000€ ist also ein relativ durchschnittliches deutsches Konsumniveau für einen 2-Personen-Haushalt. Pro Person sind dies also 1.250€ bis 1.500€ und damit 25-50% mehr als das oben definierte „knapp über Hartz-IV-Niveau“.

Durchschnitts-FIRE?

Überschlägt man bei diesem Ausgabenniveau wieder mit der 4%-Regel das benötigte Vermögen für FIRE, wären – ohne Berücksichtigung von Krankenversicherung und Steuern – ca. 750.000€ bis 900.000€ nötig. Bei einer Sparquote von 30% auf ein Einkommen von 4.300€ pro Monat, also ca. 1.300€ Sparrate pro Monat, dauert das bei einer angenommenen Rendite von real 5% ohne Berücksichtigung von Steuereffekten über 25 Jahre. Das klingt erstmal lang – ist es meiner Meinung nach aber überhaupt nicht!

Denn dieser grobe Überschlag bedeutet, dass ein gut verdienendes Pärchen Mittdreißiger ohne Vermögen, aber mit anspruchsvoller (wenn auch nicht unmöglicher) Sparrate von 30% und wenn es sein ab jetzt gespartes Geld investiert statt es nur zu sparen (!) tatsächlich ca. 10 Jahre vor dem offiziellen Rentenalter bereits in Rente gehen könnte. Und auf dem Weg dahin, kann man sich auf Grund der Inflation/brutto Rendite sogar irgendwann zwischendurch mal „Millionär“ nennen. Wenn das kein Anreiz ist, sich ambitionierte Sparziele zu setzen, weiß ich auch nicht 😉

Wie viel Geld ich in der RE-Zeit zur Verfügung haben möchte

Christophs und mein Haushaltsnettoeinkommen fällt in die letzte Kategorie: „5.000€ und mehr“. Laut den Zahlen des statistischen Bundesamts gibt diese Gruppe Menschen durchschnittliche 4.415€ im Monat aus. Und das passt für uns tatsächlich recht gut. Unsere gemeinsamen Ausgaben auf dem Haushaltskonto belaufen sich auf 3.000€ pro Monat. Wir geben aber nicht jeden Monat tatsächlich so viel Geld aus, denn darin enthalten sind auch Sparbeträge für gemeinsame Urlaube oder neue Möbel. Obwohl wir uns 2020 einige neue Möbel, u.a. für ein besseres Home Office, gekauft haben haben wir durch die eingeschränkten Reisemöglichkeiten 2020 aktuell bereits genug Geld für einen sehr schönen Urlaub 2021 angespart – falls die allgemeine Situation das wieder hergibt. Ich persönlich sehe mich ja eher nicht eine Fernreise unternehmen dieses Jahr. Aber dann sparen wir eben für 2022 schon mal weiter und können uns dann z.B. den Traum einer Japanreise oder einer Safari in einem afrikanischen Nationalpark erfüllen.

Individuell geben Christoph und ich dann natürlich auch noch Geld abseits vom Haushaltskonto aus. Durch meine Analyse für den Artikel zum Ausgabenniveau neulich weiß ich, dass wir 2020 in Summe genau bei diesem Durchschnittswert des statistischen Bundesamts lagen. Für die Zeit nach FIRE plane ich eher noch mit etwas mehr.

Ist das schon Fat FIRE?

Persönlich empfinde ich meinen aktuellen und für später geplanten Lebensstil als relativ luxuriös – auch wenn dies nicht im jedem Bereich für Außenstehende direkt sichtbar ist. Wir entsprechen nicht den Klischees der Superreichen und geben unser Geld eher selten für Gegenstände aus, die als klassische Statussymbole erkennbar sind. Aber das haben Klischees ja so an sich: meist entsprechen sie nicht der Wahrheit.

Einige Beispiele aus meinem Leben

Wohnen

Christoph und ich wohnen in einer 65qm Wohnung. Von der Fläche her entspricht dies fast den Hartz-IV-Vorgaben für einen angemessenen Wohnraum für 2 Personen (der bei 60qm liegen würde). Da unsere Wohnung sehr modern und hochwertig ausgestattet ist und recht zentral liegt, entspricht die Kaltmiete aber ganz und gar nicht den Hartz-IV-Vorgaben, sondern liegt mehr als 100% darüber. Wer nur die Quadratmeterzahl kennt, würde uns aber sicherlich keinen ausschweifenden Lebensstil vorwerfen. Wir haben uns bewusst entschieden, in diesem Bereich viel Geld auszugeben, obwohl man natürlich auch für deutlich weniger Geld ein warmes, gemütliches Dach über dem Kopf haben kann.

Obwohl wir bei der Wohnung bewusst mehr Geld ausgeben, sind Möbel für uns weniger wichtig. Hier ist uns wichtig, dass es funktional und gemütlich ist. Möbel von Markenherstellern besitzen wir allerdings keine, das meiste in unserer Wohnung ist tatsächlich von Ikea. Wenn man beim schwedischen Möbelhaus nicht die allergünstigste Option wählt, sieht das meiner Meinung nach auch meist recht schick aus.

Erst neulich hat ein Freund gefragt, warum wir uns noch keinen neuen Esstisch gekauft haben. Für Christoph und mich war die Frage ziemlich unverständlich. Denn an unserem derzeitigen Esstisch gibt es absolut nichts auszusetzen. Er passt gut zu unseren Stühlen und der sonstigen Einrichtung, ist pflegeleicht, wackelt nicht… Der Tisch ist jetzt 6,5 Jahre alt – warum sollte ich mir einen neuen kaufen, nur um etwas neues zu haben? Vor allen Dingen bei einem Gebrauchsgegenstand wie einem Tisch bin ich eher nicht bereit, das Geld auszugeben. Meine Eltern haben sich vor kurzem einen neuen sehr hochwertigen Esstisch gekauft, der mir sehr gut gefällt. Aber er gefällt mir nicht mehrere-Tausend-Euro-besser als mein aktueller Ikea-Tisch 😉

Kleidung

Jeder muss für sich selbst entscheiden, in welchen Bereichen er mehr oder weniger Geld ausgeben möchte. Ich gebe z.B. inzwischen nur wenig Geld für neue Klamotten und Schuhe aus. Als Student habe ich meine Pausen zwischen Vorlesungen oft bei H&M verbracht und viel Fast Fashion geshoppt. Das ist mir heute gar nicht mehr wichtig – eher nervt mich Shopping, statt mir Freude zu bereiten. Und Schuhe, glaubt mir, da habe ich bereits jetzt mit 30 wirklich schon meinen Lebensvorrat gekauft 😉 Doch gerade der Corona-Lockdown hat mir gezeigt, wie wenige meiner Schuhe ich tatsächlich trage. Selbst wenn ich die „Spezialschuhe“ wie Gummistiefel, Moonboots oder Flipflops abziehe, trage ich doch nur 15% meiner Schuhe wirklich regelmäßig. Die Erkenntnis hat zwar ein bisschen gedauert, aber heute gebe ich in diesem Bereich kaum noch Geld aus.

There is always room for another pair of shoes
Fand den Anhänger an einem meiner neuen Paar Schuhe so lustig, dass ich dieses Foto 2014 auf meine Facebook-Pinnwand gepostet habe

Essen

Andersherum ist es beim Thema Lebensmittel: Hier gebe ich sehr gerne Geld aus, sowohl für hochwertige Zutaten zum Kochen als auch für Restaurantbesuche (wenn die dann mal wieder erlaubt sind). Bei Alkohol habe ich schon als Student nicht den billigen Kopfschmerz-Fusel gekauft. Doch bei Fleisch, Wurst und Käse achte ich heute sehr viel mehr auf Qualität als früher. Aber z.B. bei Mehl oder normalem Zucker würde mir nie einfallen, etwas anders als die Hausmarke zu kaufen. Braunen Zucker / Rohrzucker kaufe ich dagegen meistens aus fairem Anbau. Ich versuche mein Geld bewusst auszugeben. Nicht alles was teuer ist, ist automatisch gut.

Reisen

Beim Thema Urlaub haben sich meine Ansprüche definitiv im Lauf der Zeit erhöht. Mit 5 Freundinnen habe ich nach dem Abitur eine Reise nach Mallorca gemacht. 5 Tage, zu dritt in einem 12qm großen Zimmer, sodass man nicht mal alle Koffer gleichzeitig öffnen konnte – egal! Wir waren tagsüber sowieso den ganzen Tag am Strand und nachdem das Chaos des sich zu dritt vor einem Spiegel fertig machens überstanden war, haben wir abends auch keine wache Sekunde in den Zimmern verbracht. Für 320€ pro Person inkl. (halbwegs essbarer) Halbpension und Flügen (zu den absolut furchtbarsten Zeiten mitten in der Nacht) war das trotzdem ein geniales Angebot.

Heute ist es mir sehr wichtig, dass das Essen im Hotel, sofern ich da wirklich länger übernachte und nicht nur auf der Durchreise bin, wirklich herausragend ist. Und dafür muss man dann tatsächlich auch meist ordentlich viel Geld ausgeben. Hier spare ich nicht, denn gerade das ist für mich Teil des Urlaubsfeelings.

Eine luxuriöse Zimmereinrichtung oder besonders viel Platz brauche ich hingegen nicht, solange es sauber ist. Da ich nicht besonders groß bin, habe ich auch kein Problem damit, in der Economy Class zu fliegen oder einen eher kleinen Mietwagen auszuwählen. Für Christoph ist das aber etwas anderes, sodass wir hier oft gemeinsam mehr Geld ausgeben, damit der Urlaub für beide angenehm ist. Durch meine Punkte-Hustler-Einstellung suche ich auch sehr gerne nach besonders guten Deals und vergleiche die Preise zwischen verschiedenen Anbietern. Ich will nicht um jeden Preis sparen, aber bin immer auf der Suche nach einem Top Preis-Leistungsverhältnis in den Kategorien, die mir wichtig sind.

Was Fat FIRE für mich bedeutet

Wahrscheinlich sind die beschriebenen Definitionsschwierigkeiten rund um den Begriff „Fat FIRE“ auch der Grund, warum ich kaum jemanden kenne, der für seine eigene Finanzplanung auf die Begriffe Lean/Fat FIRE zurückgreift. Meist werden die Begriffe eher als abstraktes Konstrukt oder zur Bewertung der Lebenssituation Anderer verwendet. Doch auch die eigene Einschätzung des Konsumniveaus Anderer liegt stark im Auge des Betrachters. So wie sich so gut wie jeder selbst zur Mittelschicht zählt, werden die Ausgaben (bzw. Einnahmen) anderer meiner Erfahrung nach tendenziell eher überschätzt.

Mir ist bewusst, dass für die meisten Menschen mein aktueller Lebensstil sowohl vom Ausgabenniveau als auch von den Konsumentscheidungen schon ziemlich nach Luxus klingt. Von Lean FIRE sind meine Pläne meilenweit entfernt. Durch ein stark überdurchschnittliches Einkommen kann ich mir sowohl ein überdurchschnittliches Konsumniveau als auch eine hohe Sparrate leisten. Wie Menschen es aber tatsächlich schaffen, die für Fat FIRE oft zitierte Grenze von >10.000 US-Dollar (>8.300€) pro Monat auszugeben ist mir von meinem aktuellen Standpunkt aus gesehen trotzdem irgendwie schleierhaft. Da müsste ich schon eine Vollzeit-Haushaltshilfe/Nanny/Koch beschäftigen oder Heli-Ski zu meinem neuen Hobby machen. Da wären dann einige Klischees der Superreichen doch wieder erfüllt.

Heli Ski
Wäre sowieso viel zu ängstlich für Heli Ski als Hobby.

Unabhängig vom konkreten Ausgabenniveau hat Fat FIRE für mich aber noch eine andere Bedeutung. Auch wenn die Analogie etwas hinkt: Überflüssiges Fett an einem Steak kann ich immer wegschneiden, wenn ich Kalorien sparen möchte. Dadurch verliert das Steak zwar gegebenenfalls ein ganz wenig an Geschmack, kann aber immer noch ein leckeres Essen sein. Habe ich von vorneherein nur Knäckebrot und Magerquark auf dem Speiseplan, ist es schwieriger, im Notfall noch mehr einzusparen.

Dadurch, dass ich eher auf eine Art Fat FIRE hinarbeite, habe ich mehr automatisch mehr Puffer als bei einem schlankeren Finanzplan. Puffer ist mir persönlich sehr wichtig für meinen FIRE-Plan. Denn man weiß nie, was noch passieren wird. Gerade bei den beiden vergleichsweise großen Ausgabeblöcken Wohnen und Reisen besteht aus meiner Sicht eine große Menge Potential, Kosten im Laufe der Zeit flexibel zu gestalten, ohne auf besonders viel Lebensqualität verzichten zu müssen. Gerade durch die Reiseeinschränkungen 2020 haben viele Menschen (inklusive mir) bemerkt, dass man auch in Deutschland wunderbar Urlaub machen kann.

Von außen betrachtet und wenn man sich die nackten Zahlen anschaut, dann läuft mein FIRE-Plan wahrscheinlich tatsächlich auf Fat FIRE hinaus. Für mich selbst ist es schwieriger, dies so zu sehen, da ich ja keine signifikante Erhöhung meines aktuellen Ausgabeniveaus plane. Das würde dann im Umkehrschluss bedeuten, dass ich aktuell bereits ein „Fat“ Leben führe. Und genau so ist es wohl auch. Auch wenn es immer etwas schwierig ist, sich selbst innerhalb der eigenen Filterblase einzugestehen, dass man nicht durchschnittlich ist, sondern mit Blick auf das große Ganze dann doch zu den (ominösen) Reichen gehört. Mir hilft so eine Betrachtung von harten Fakten nach dem ersten Erstaunen dann dabei, Dankbarkeit für mein Leben und meine Privilegien zu empfinden. Gerade in der aktuellen, für viele doch mental sehr belastenden Zeit ist es wichtig, solche positiven Gefühle festzuhalten und Kraft aus ihnen zu ziehen. Wie siehst du das?

Hilft dir der Vergleich mit dem Durchschnitt zur Einordnung der eigenen Lebenssituation? Empfindest du dabei eher Dankbarkeit? Oder Frust? Fühlst du dich überdurchschnittlich reich? Arbeitest du auf Fat FIRE hin? Was zeichnet Fat FIRE für dich aus? Gibt es bestimmte Summen, die für dich die Grenze zwischen Lean FIRE, „normalem“ FIRE und Fat FIRE ziehen?

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