Welchen Einfluss hat Corona auf deine Finanzen? // Bären und schwarze Schwäne

Corona Virus
Lesezeit: 6 Minuten

Eigentlich wollte ich heute einen Mini-Rückblick zu den ersten 6 Monaten Dagoberts Nichte veröffentlichen. Doch aktuell gibt es nur ein Thema: Corona. Daher möchte ich heute kurz beleuchten, welchen Einfluss die aktuellen Entwicklungen auf Finanzen und insbesondere meinen FIRE Plan haben.

Der Versuch einer Einordnung des aktuellen Börsencrashs

Egal, welche Werte man miteinander vergleicht: Die aktuelle Entwicklung an den weltweiten Börsen erfüllt definitiv die Definition eines Börsencrashs. Teilweise liegen die Buchverluste seit Beginn der Krise im Januar/Februar bei inzwischen 40-50%. Der Fear & Greed Index, der die Stimmung an den amerikanischen Märkten abbildet, steht auf einem absoluten Tiefpunkt (2 von maximal 100 möglichen Punkten).

Die bisherigen Kursabstürze dieses Crashs sind vergleichbar mit anderen Krisen der Vergangenheit:

  • Finanzkrise 2008: über 50% (S&P 500)
  • Dotcom-Blase 2000: fast 80% (Nasdaq)
  • Black Thursday/Great Depression 1929: fast 90% (Dow Jones)

Was diese Krise für viele Investoren allerdings besonders macht, sind zwei Dinge

Bye bye Bulle

Einerseits gab es schon relativ lange keinen Bärenmarkt mehr. Die Entwicklung der Aktienmärkte bezeichnet man dann als Bärenmarkt, wenn die Kurse von Aktienindices 20% oder mehr verlieren. Nach einem Bullenmarkt (also dem Gegenteil eines Bärenmarkts) für weite Teile der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts folgten im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gleich mehrere Bärenmärkte aufeinander. Zuerst die Dotcom-Blase und die Skandale um den „Neuen Markt“ in Deutschland um die Jahrtausendwende. Anschließend die Unsicherheit durch die Anschläge vom 11. September 2001 sowie einige Skandale, z.B. die Bilanzfälschung beim amerikanischen Energiekonzern Enron. Dann die ab 2007 beginnende Finanzkrise, die 2008 ihren Höhepunkt erreichte und dann direkt in die Eurokrise rund um Griechenland mündete. Privatanleger mussten also immer wieder starke Nerven aufweisen, um an ihrer Buy & Hold Strategie festzuhalten.

Bär
Der Bär ist aktuell mit voller Kraft an den Börsen unterwegs

Da der ideale Anlagehorizont für Aktieninvestments bei mindestens 15 Jahren liegt, kann man Aktionäre, die erstmalig erst nach 2009 in Aktien investiert haben, noch als „vergleichsweise kurz dabei“ bezeichnen. Diese Aktienneulinge haben nicht nur noch nie (seit 2009) einen Crash erlebt, sondern sind – gerade durch das traumhafte Börsenjahr 2019 mit Zuwächsen von 20-30% in allen Märkten – vielleicht auch etwas verwöhnt. Es wären unrealistische Vorstellungen, dass es an den Börsen immer so weitergehen würde.

Hallo schwarzer Schwan

Der zweite Aspekt, der diese Krise für viele Beobachter besonders macht, ist der Auslöser. Als Aktionär rechne ich damit, dass sich irgendwann mal wieder eine Bank verspekuliert, ein Unternehmen oder Politiker durch Betrügereien auffällt, die Ölpreise stark fallen oder steigen, ein Terroranschlag oder Krieg die Märkte zum Zittern bringen oder ein Staat sich zu sehr verschuldet hat (Argentinien z.B. ist allein in den letzten 20 Jahren 3 Mal pleite gegangen…). Dass nach Rekordjahren des Wachstums irgendwann wieder eine Rezession kommt, wirkt fast wie ein Naturgesetz.

All das ist in der Vergangenheit vorgekommen und hat dann die Börsen zum Wanken gebracht. Aus dieser Börsen-Geschichte kann man aber auch wiederum Gelassenheit bei neuen Krisen dieser Art generieren. Denn frei nach dem Rheinischen Grundgesetz („Et hätt noch emmer joot jejange“) haben sich die Börsen aus diesen verschiedenen Krisen auch immer wieder erholt und sind am Ende (nach wenigen Monaten bis einigen Jahren) wieder höher gestiegen als zuvor.

Eine globale Pandemie in der Größenordnung von COVID-19 gab es allerdings als Auslöser für einen Börsencrash noch nie. Die letzten größeren Gesundheitsgefahren wie Vogelgrippe 2004 und Schweinegrippe 2009/10, EHEC 2011 (die verseuchten Sprossen) und zuletzt das Zika-Virus 2015/16 hatten nie solche großen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft wie jetzt bereits Corona bzw. die ganzen behördlich angeordneten Schließungen von Geschäften und Orten des öffentlichen Lebens.

Während der SARS-Pandemie 2002/03 stand das Wirtschaftsleben in China und angrenzenden asiatischen Ländern für mehrere Monate nahezu still. Dies hatte durch das verringerte Aufkommen von Geschäftsreisenden und Touristen auch Einfluss auf die Wirtschaft anderer Länder, die von der eigentlichen Krankheit allerdings kaum betroffen waren. Ein Artikel von Reuters zitiert eine Schätzung der Weltbank, dass die SARS-Pandemie das globale Bruttosozialprodukt insgesamt um 33 Milliarden verringert hätte. Das klingt viel, sind aber weniger als 0,01% Unterschied. So genau kann die Weltbank das globale Bruttosozialprodukt gar nicht messen.

Schwarzer Schwan
In Australien sind schwarze Schwäne gar nicht selten

Corona aber ist anders, das wissen wir schon jetzt. Oft fällt der Begriff des schwarzen Schwans, der ein Ereignis beschreibt, was nicht nur selten, sondern auch höchst unwahrscheinlich ist. Wer hätte vor nur zwei Wochen gedacht, dass wir uns heute alle nur noch in unseren eigenen vier Wänden aufhalten werden? Ich jedenfalls nicht. Am 28. Februar habe ich einem Freund noch per WhatsApp geschrieben, dass ich nicht glaube, dass „plötzlich das öffentliche Leben zusammenbricht“. Wie man sich doch täuschen kann!

Blick in mein Depot

Wie viel Geld ich bisher verloren habe? Genau Null Euro. Natürlich stehen die meisten meiner Aktien und ETFs aktuell schwer im Minus. Aber solange ich nicht verkaufe, habe ich auch keine Verlust gemacht. Und je nach Kaufzeitpunkt sind die Verluste auch deutlich kleiner als das, was man aktuell in den Medien hört. In der Börsenberichterstattung wird nämlich entweder der einzelne Tag oder die Woche/Monat betrachtet oder der Zeitpunkt seit dem Höchststand Mitte Februar genommen, um einen „Gesamteindruck“ zu vermitteln. Das klingt dann natürlich dramatisch: Verluste von 40-50%!

Hannover Rück

Allerdings ist es auch wichtig, die mittelfristige Perspektive nicht zu verlieren. Zwei Beispiele aus meinem Depot: Meine Hannover Rück Aktien steht jetzt gerade bei 114,20€. Ein Minus von -35% in den letzten 3 Monaten. Im Vergleich zum Jahresende 2018 hat sich der Kurs aber nicht verändert. Am 31.12.2018 stand die Aktie laut meines Depotauszugs bei genau 114,50€. Da die Inflationsrate in Deutschland 2019 nur bei ca. 1,4% lag, ist meine reale Kaufkraft mit diesen Aktien also eigentlich unverändert im Vergleich zu Ende 2018.

Korea ETF

Natürlich habe ich auch deutliche Verlierer im Depot, z.B. einen Korea-ETF (ISIN LU1900066975) der am 22.02.2019 (also vor etwa einem Jahr) 54,55€ pro Anteil wert war. Heute sind es 39,30€, ein Minus von -27,95%. Dafür, dass der koreanische Aktienindex im Vergleich zu vielen anderen weltweiten Indices 2019 deutlich unterdurchschnittlich gestiegen ist (seit meinem Einstandskurs vom 22.02.2019 bis zum Hoch am 16.01.2020 waren es „nur“ +7%) und Korea eines der am schlimmsten betroffenen Länder der Corona-Krise ist, hält sich der Buchverlust meiner Meinung nach wirklich noch in Grenzen.

Einfluss auf meine Finanzen und meinen FIRE-Plan

Ich arbeite in der Finanzbranche, sodass mein Job von der akuten Krise noch nicht betroffen ist. Mein Unternehmen musste im Gegensatz zu vielen Einzelhändlern und Unterhaltungsanbietern nicht behördlich verordnet schließen. Dementsprechend bin ich aktuell auch nicht von Kurzarbeit oder betriebsbedingten Kündigungen bedroht. Zudem ist meine Arbeit zu 100% Home Office-fähig. Seit 13.03. arbeite ich auch bereits vollständig zuhause. Damit habe ich insgesamt viel Glück gehabt, denn mein Einkommen ist zunächst gesichert.

Natürlich habe ich die aktuelle Krise aber auch noch einmal als Anlass genommen, über die optimale Höhe meines Notgroschens nachzudenken. Ich fühle mich immer noch wohl mit meinen Plänen, insbesondere, da ich eine sehr hohe Sparrate habe. Ich lebe aktuell von weniger als der Hälfte meines Einkommens – und das sehr komfortabel! Somit könnte ich auch bei plötzlicher Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit gut mit dem dann deutlich geringeren Einkommen gut auskommen, ohne an meine Ersparnisse gehen zu müssen.

Wie sich die Gesamtsituation in den nächsten Wochen entwickelt, weiß ich nicht. Erst wenn sich die akute Gefahr durch den Corona-Virus für die Gesundheit von uns Menschen gelegt hat, wird man abschätzen können, welchen Einfluss die Krise auf die Wirtschaft als ganzes hat. Und daraus wird sich ableiten, wie die Börsen sich in den nächsten Monaten und Jahren entwickeln. Wie ich erst vor kurzem (aber in ganz anderem Kontext) beschrieben habe, ist es beim Thema Finanzen immer wichtig, den Umgang mit Unsicherheit zu erlernen.

Also abwarten, drinnen bleiben, Hände waschen und nicht verkaufen.

Welchen Einfluss hat die aktuelle Corona-Krise auf deine Finanzen? Was hättest du rückblickend anders gemacht (schreib es auf für später!)? Änderst du etwas an deinen Finanzplänen für die Zukunft?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert