Was willst du denn dann den ganzen Tag machen als Rentner? // RE-Pläne
Eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt wird, wenn ich von meinen FIRE-Plänen erzähle ist natürlich: „Wie willst du denn jemals genug sparen?“. Auf dem 2. Platz ist dann aber sicherlich die Frage danach, was ich mit meiner ganzen Freizeit dann machen will, sobald ich mein Rentenalter erreicht habe. Meiner Meinung nach ist das eine merkwürdige Frage – denn ist dir jemals so langweilig, dass du dir wünschst, endlich wieder zur Arbeit gehen zu können? 😉
Ein gemütlicher Sonntag auf der Couch ist für mich etwas herrliches. Ich liebe es, erst um 11 Uhr zu frühstücken und bin insgesamt eher eine Nachteule. Trotzdem habe ich nicht vor, den ganzen Tag zu faulenzen, sobald ich FIRE erreicht habe. Stattdessen stelle ich mir meine RE-Zeit eher so vor:
Ein kleiner Garten…
Im Sommer blüht und duftet es wunderbar. Im Herbst kann ich von drinnen ein tolles Farbenspiel beobachten. Ich kann ein bisschen Obst und Gemüse anpflanzen (Gartenarbeit macht wissenschaftlich bewiesen glücklich). Meinen grünen Daumen entdecke ich bis dahin hoffentlich noch, aber wahrscheinlich gilt bei der Gartenarbeit auch „Übung macht den Meister“, oder?
…mein Mini-Schwein…
Mein Haustier, ein Mini-Schwein, fühlt sich in dem Garten auch wohl, da es für das Schwein einen kleinen Sandkasten zum Schubbern und etwas Rasenfläche zum Herumtollen gibt.
…und ich…
Ich wohne dabei in (oder in der Nähe) einer Uni-Stadt, sodass es ein breites Angebot an interessanten Vorträgen und Veranstaltungen gibt. Über Psychologie wüsste ich gerne mehr. Geografie hat mich schon immer interessiert. Physik und VWL habe ich zwar „hauptberuflich“ studiert, aber auch dort gibt es noch viel Potenzial zur Weiterbildung. Heute lebe ich meine Leidenschaft für Wissen hauptsächlich durch den Konsum von Reportagen und Naturdokus aus. Während für andere Leute der Tatort am Sonntag eine Institution darstellt, ist für mich sonntags Weltspiegel-Tag. Lebenslanges Lernen ist für mich mehr als ein Modewort, sondern eher meine „Lebensphilosophie“.
…mit Zeit für andere Menschen…
Neben meinen eher hedonistischen Gründen für FIRE wäre es mir auch sehr wichtig, endlich genug Zeit und Flexibilität zu haben, um einer regelmäßigen ehrenamtlichen Arbeit nachzugehen. Ich finde es sehr erfüllend, meine Fähigkeiten und Engagement für andere einsetzen zu können. Es gibt viele Themen, die mir am Herzen liegen – aber insbesondere könnte ich mir vorstellen, mich im Bildungsbereich stärker zu engagieren: sei es zum Thema Finanzbildung für Schüler, Steigerung der Attraktivität von MINT-Berufen für Mädchen oder Deutschunterricht für Migranten. In diesem Bereich habe ich mich bisher immer wieder engagiert, aber leider scheitert ein regelmäßiges Engagement oft an der spezifischen Zeit, zu der man verfügbar sein müsste: Während der Schulzeit vormittags, am frühen Nachmittag im Anschluss an die Schule, wochentags am frühen Abend (bevor Kinder bzw. Jugendliche nach Hause/ins Bett müssen), in den Schulferien, … – alles Zeiten, zu denen ich für gewöhnlich bei der Arbeit bin und daher keine Zeit habe.
…und andere Orte
Wie fast alle FIRE-Enthusiasten möchte ich natürlich auch gerne mehr reisen – gerade Deutschland will ich noch viel besser kennenlernen. Es gibt so viele wunderschöne Orte direkt um die Ecke! Ausflüge und kurze Reisen passen gut zu meinen sonstigen FIRE-Plänen: Sie sind budgetfreundlicher als wochenlange Übersee-Reisen, sind einfacher zu organisieren, wenn man ein Haustier hat und erzeugen Abwechslung, ohne es unmöglich zu machen, regelmäßige Termine und einen strukturierten Tagesablauf beizubehalten.
Eignen sich RE-Pläne nur als Tagträume?
Meiner Meinung nach ist es wichtig, einen groben Plan zu haben, was man „den ganzen Tag lang“ machen möchte. Aber es beunruhigt mich auch nicht, dass meine Vorstellungen noch recht unkonkrete Wunschträume sind. Denn diese Gedankenspiele haben für mich nicht den Charakter eines festen Plans, sondern im Kern zwei Zwecke: Motivation und Realitätscheck.
Motivation: Worauf arbeite ich hin?
Um FIRE zu erreichen muss man einiges anders machen als sein Umfeld, z.B. ganz aktiv der Lifestyle-Inflation entgegentreten. Konsequent Teile seines Einkommens sparen. Kein Haus kaufen. Ruhig bleiben bei Schwankungen an den Aktienmärkten. Sich intensiv mit Finanzen und Investments beschäftigen. Alles Themen, die bei den meisten Endzwanzigern wie mir nicht gerade ganz oben auf der Prioritätenliste stehen.
Um die Motivation und das Durchhaltevermögen zu entwickeln, dass man für FIRE braucht, ist es wichtig zu wissen, wofür man dieses Ziel verfolgt. Aus den oben beschriebenen Wünschen und Träumen zu meiner RE-Zeit kann ich eine Menge Energie ziehen, um meine Ungeduld in Schach zu halten. Immerhin dauert es noch einmal ca. 50% meines bisherigen Lebens, bis ich überhaupt in die Nähe von FIRE kommen könnte (in meinen optimistischen Planungen).
Investieren ist auf Grund des Zinseszinseffekts auch gerade am Anfang ein gefühlt extrem langsamer Prozess: Wenn man in einem Jahr 10.000€ besitzt und dann super diszipliniert einen Großteil des Nettoeinkommens spart, dann hat man am Ende des Folgejahres vielleicht 40.000€ auf der hohen Kante. Und ist damit gefühlt immer noch genauso weit weg vom Millionär wie vorher. Relativ gesehen war der Sparerfolg trotzdem natürlich enorm: In nur einem Jahr hat man sein Vermögen vervierfacht!
Die Zinsen auf den Anfangsbetrag von 10.000€ haben dazu wahrscheinlich so gut wie nix betragen: Bei 5% wären es 500€ Zinsen und 39.500€ Wachstum aus dem Einkommen, also nur 1,3%.
Spart man im nächsten Jahr so weiter, sieht es schon ganz anders aus: die 40.000€ generieren bei 5% Zinsen schon beachtliche 2.000€ Zinsertrag, die bei gleichbleibender Sparrate von 39.500€ bereits 4,8% des Gesamtzuwachs darstellen. Auf Grund des Zinseszinseffekts lohnt es sich auch so sehr, früh anzufangen!
Momentan befinde ich mich auf meinem Weg zu FIRE in einem Zwischenbereich: Das vorhandene Geld generiert zwar jedes Jahr schon ordentlich Zinsen, aber gegen das Geld, was ich aus meinem Nettoeinkommen dazuspare, ist es vergleichsweise wenig. Gleichzeitig habe ich aber auch nicht mehr die Erfolgserlebnisse vom Anfang, wo man noch sein bis dahin angesammeltes Vermögen innerhalb von 12 Monaten verdoppeln konnte!
Es ist für mich daher wichtig, einen groben Plan zu haben, den ich bei kleinen Motivationstiefs herausholen kann: Mein Mini-Schwein, mein kleines Gemüsebeet und die Lust, für Kopf und Herz viele neue spannende Impulse sammeln zu können.
Realitätscheck: Kann ich das nicht bereits heute erreichen?
Immer mal wieder über die eigenen Wünsche und die Motivatoren hinter den eigenen FIRE-Plänen nachzudenken, hat noch eine andere Funktion jenseits des „sich in die Zukunft träumen“. Denn bei jedem Wunsch und Plan prüfe ich, ob und was davon ich heute bereits in mein Leben integrieren kann. Das Mini-Schwein oder der Gemüsegarten sind in einer Stadtwohnung nur mit Balkon nicht umsetzbar. Aber mehr Zeit mit kreativen Hobbys zu verbringen oder sich neben dem Beruf doch wieder stärker ehrenamtlich zu engagieren, das sind durchaus Dinge, die auch jetzt schon in gewissen Maße möglich sind. FIRE darf keine Ausrede darstellen, sein Glück und Zufriedenheit von heute auf ein unbestimmtes Morgen zu verschieben. Ich habe mich auf den Weg zu FIRE gemacht, um mein Leben so leben zu können, wie ich es mir vorstelle und die Dinge machen zu können, die mir Freude bringen. Aber nicht nur in diesem Zukunftsbild, sondern auch heute versuche ich mein Leben so zu gestalten, dass ich möglichst viel Freude aus jedem Tag ziehe. Da ich wie die meisten Menschen den Großteil ihres Tages bei der Arbeit verbringen, ist dies für mich eine besonders wichtige Frage, die man sich von Zeit zu Zeit stellen sollte: „Macht mir Spaß, womit ich Geld verdiene?“ Klar, selten macht einem der Job so viel Spaß wie die selbst ausgesuchten Freizeitaktivitäten. Den Anspruch halte ich auch für unrealistisch. Aber ein gutes Team, spannende Aufgaben und ein wertschätzendes Umfeld kann und sollte man sich trotzdem suchen. Denn selbst wenn man es in jungen Jahren schafft, FIRE zu erreichen – trotzdem arbeitet man bis dahin im Extremszenario mindestens 10 Jahre, meist eher 20+ Jahre als normaler Berufstätiger. Da macht es doch Sinn, auch diese Zeit so schön wie eben möglich zu gestalten, oder?
Dabei helfen mir meine Retired-Early-Vorstellungen als Realitätscheck – was steckt hinter meinen Träumen? Welche Werte und Wünsche habe ich? Wie kann ich diese heute bereits immer stärker in mein Leben integrieren?
Wovon träumst du? Wie stellst du dir deine Rentenzeit vor? Hilft es dir, deine Zukunft zu visualisieren oder versucht du eher, dich von solchen Zukunftsträumen fernzuhalten?
Kein Haus kaufen? Ist nicht das kleine Immobilienperium ein stützpfeiler der FIRE-Strategie?
Hallo Martin,
vielen Dank für deinen Kommentar! Ich persönlich möchte nicht in Immobilien investieren, da mir das „Vermieter-sein“ zu anstrengend ist (Abrechnungen, Mietersuche, Handwerkerkoordination, ggf. Eigentümerversammlungen, usw. usf.). Auch stellen Immobilien ein sehr großes Klumpenrisiko dar, vor allen Dingen am Anfang, wenn man nur eine oder zwei Objekte hat (und viel mehr wird man sich als junger Mensch am Anfang seiner Sparphase nicht leisten können). Da ist mir ein breit diversifizierter ETF deutlich einfacher in der Verwaltung und auch deutlich risikoärmer.
Dazu kommt, dass in Deutschland Schnäppchen bzw. wirklich lohnenswerte Immobilienobjekte ziemlich schwer zu finden sind im Moment – die Niedrigzinsphase treibt halt viele Menschen zu Immobilien, sodass die Preise je nach Region bereits so hoch sind, dass es sich nicht mehr rechnet von der Rendite her.
Eine selbstbewohnte Immobilie ist aus meiner Sicht ebenfalls keine gute Idee, wenn man FIRE möglichst früh erreichen will, jedenfalls dort, wo ich derzeit leben und arbeite (Rhein-Main-Region). Man bindet sehr viel seines Gelds in Eigenkapital und Abzahlung der Hypothek, das in dieser Zeit keinerlei Zinsen erwirtschaftet. Dabei ist gerade der Zinseszins unser Freund auf dem Weg zu FI 🙂
Das heißt nicht, dass man auf keinen Fall eine Immobilie kaufen sollte – aber das ist dann eher eine Lifestyle-Entscheidung für das eigene Wohlbefinden als eine Entscheidung auf Basis von knallharte Renditerechnungen.