Warum hast du diese Aktien gekauft? // Mein Investment-Manifest
Ich habe meine Einzelaktien und auch viele Fonds/ETFs in der Vergangenheit eher blauäugig und ohne klare Strategie gekauft. Leider kannte ich damals noch nicht die Idee vom Investment-Manifest. Sonst hätte ich mir viele Käufe wohl noch einmal gründlicher überlegt!
In einem Investment-Manifest dokumentiert man seine Gründe für die Aktienkaufentscheidung bzw. das Investment sowie die Gründe und Veränderungen, bei denen man die Aktie wieder verkaufen würde. Das Aufschreiben an sich lässt einen vieles doch noch einmal stärker hinterfragen. Ich hoffe also, dass die Tipps aus meinem letzten Artikel zum Investment-Manifest hilfreich sind, auch wenn ich sie selbst bisher nicht befolgt habe. Aber das wird sich jetzt ändern! Hoffentlich helfen die Beispiele auch noch einmal weiter beim Verständnis, wie ein Investment-Manifest aussehen kann.
Mein Investment-Manifest für meine Einzelaktien
Exemplarisch werde ich für meine LVMH und meine Hannover Re Aktien ein Investment-Manifest aufschreiben. Und zwar einmal so, wie ich es damals beim Kauf aufgestellt hätte (so gut ich mich erinnern kann). Und einmal aus heutiger Sicht.
Denn jeder Zeitpunkt lässt sich ohne Probleme wie ein Kaufzeitpunkt interpretieren! Wie sich die Aktie in der Vergangenheit entwickelt hat, ist kein guter Indikator dafür, wie sie sich in der Zukunft entwickeln wird. Es gibt zwar einige Smart Beta ETFs, die genau diese Momentum-Strategie verfolgen. Aber diese betrachten immer nur die letzten 6-12 Monate und versprechen dementsprechend auch nicht, die Aktienkursentwicklung für die nächsten 15+ Jahre vorauszusagen. Für meine heutige Einschätzung, ob ich eine Aktie kaufen, halten oder verkaufen sollte, sollte die Vergangenheit also keine wirkliche Rolle spielen. Daher ergänze ich meine damaliges Investment-Manifest um eine Version aus heutiger Sicht, quasi als würde ich die Aktie heute neu bewerten.
Kritik an meinen damaligen, doch sehr naiven Gründen für die Investment-Entscheidungen gerne in die Kommentare 😉
Hannover Re – damals
Datum der Kaufentscheidung: | Frühjahr 2012 |
(Angestrebter) Kaufkurs: | 43 Euro (ich glaube nicht, dass ich damals eine Limit-Order eingesetzt, sondern einfach zum Marktkurs gekauft habe) |
Damalige Kaufgründe: | – Ich verstehe durch mein Praktikum jetzt das Geschäftsmodell eines Rückversicherers – Die Leute in der Abteilung, in der ich gearbeitet habe, waren sehr kompetent – Hannover Re hat in den letzten Jahren immer sehr hohe Gewinne gemacht – Rückversicherungen gegen Naturkatastrophen werden durch den Klimawandel immer wichtiger. Der Klimawandel ist zwar noch nicht eingepreist, aber da Hannover Re nur wenige große Wettbewerber hat, glaube ich, dass sich die „korrekten“ Preise langfristig doch durchsetzen lassen. |
Verkaufstrigger: | Keiner, Buy-and-Hold (Prüfturnus fehlte) |
Ggf. Details zum Kauf / Verkauf: | Die Aktien war die letzten 4 Jahre vor dem Kauf stetig gestiegen. Das hat mich damals sicherlich auch beeinflusst. |
Rückblickend muss ich sagen, dass die genannten Gründe überhaupt keine gute Grundlage für eine Kaufentscheidung sind. Das Geschäftsmodell des Unternehmens zu verstehen sollte ein Basisfaktor sein, kein Grund, es zu kaufen. Aber damals war ich noch Student, hatte keine Ahnung von „der Wirtschaft“ und fand es einfach unglaublich spannend, einen Einblick und neues Verständnis gewonnen zu haben.
Dass meine Kollegen im Praktikum kompetent waren, habe ich einfach auf alle Mitarbeiter im Unternehmen extrapoliert. Genauso habe ich aus den hohen Gewinnen der Vergangenheit abgeleitet, dass auch in Zukunft hohe Gewinne gemacht werden. Ziemlich naiv alles.
Auf den letzten meiner Kaufgründe bzw. meine Einschätzung zum Einfluss des Klimawandels auf das Rückversicherungsgeschäft gehe ich bei meinem aktualisierten Investment-Manifest noch näher ein.
LVMH – damals
Datum der Kaufentscheidung: | Januar 2015 |
(Angestrebter) Kaufkurs: | 140 Euro (ich glaube nicht, dass ich damals eine Limit-Order eingesetzt, sondern einfach zum Marktkurs gekauft habe) |
Kaufgründe: | Ich erinnere mich noch genau, dass meine Meinung damals stark beeinflusst wurde von einem Special Report zum Thema Luxus in der Dezemberausgabe des Economist. Dieser analysierte den Luxusmarkt, insb. in Asien. Die Wachstumsprognosen waren durchaus kritisch. Viele Experten sahen ein sich eher verlangsamendes Wachstum des Luxusmarkts in China. Aber der Report enthielt auch eine Menge Fakten, sodass ich mich bei dieser Kaufentscheidung sehr gut informiert fühlte. Dabei hatte ich eigentlich nur diese eine Quelle gelesen. Meine Annahmen über die Zukunft, die teilweise anders lauteten als im Special Report: – Die chinesische Mittelschicht wird weiter wachsen – Diese Käufer (und ähnliche Schichten in den anderen aufstrebenden asiatischen Ländern) werden einen hohen Bedarf nach Luxusgütern haben (dies hat sich in China ja bereits in den Vorjahren gezeigt und der Special Report enthielt dazu viele Beweise in Form von Zahlen, Daten, Fakten und Expertenschätzungen) – LVMH ist als Konglomerat verschiedener Luxusmarken gut aufgestellt um ein Proxy für „den Luxusmarkt“ zu sein |
Verkaufstrigger: | Keiner, Buy & Hold (Prüfturnus fehlte) |
Ggf. Details zum Kauf / Verkauf: | Der Kurs von LVMH war in den Jahren vor meinem Kauf deutlich weniger gestiegen als der Markt an sich. Schaut man heute auf diese Phase zurück, würde man es eher als Seitwärtsbewegung interpretieren, obwohl es immer noch +5% p.a. waren. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Kursentwicklung der Vergangenheit meine Kaufentscheidung damals beeinflusste. |
Meine damalige Kaufentscheidung für LVMH war tatsächlich auf die Zukunft ausgerichtet. Auch wenn die Annahmen eher vage sind, ist das schon einmal deutlich besser als die Hannover Re-Entscheidung, die eher auf der Vergangenheit und Gegenwart sowie persönlichen Eindrücken aufbaute. Tatsächlich bin ich mit meinen damaligen Kaufgründen auch heute noch recht zufrieden. Von der Tendenz her würde ich dies auch heute noch so unterschreiben.
Hannover Re – heute
Datum der Kaufentscheidung: | Anfang Januar 2021 |
(Fiktiver) Kaufkurs: | 131 Euro |
(Fiktive) Kaufgründe / Haltegründe: | – Rückversicherungen gegen Naturkatastrophen werden durch den Klimawandel immer wichtiger. Nur die großen Rückversicherer besitzen das Know-How, diese zukünftigen Effekte korrekt zu modellieren/bepreisen und gleichzeitig die Marktmacht, diese Preise dann auch durchzusetzen. Der Klimawandel ist zwar immer noch nicht vollständig eingepreist, aber ich glaube, dass die vielen nicht-traditionellen Wettbewerber im Rückversicherungsmarkt (Captives, Fonds, etc.) nicht die Finanzkraft besitzen, den Preiskampf langfristig zu gewinnen, sodass sich adäquate Preise in der langen Frist (15+ Jahre) durchsetzen lassen werden. – Rückversicherer sind als Asset Manager stark von der Niedrig- und Nullzinsphase betroffen. Doch die Niedrigzinsphase dauert inzwischen so lange an, dass auch die Investmentphilosophie der Rückversicherer sich bereits entsprechend angepasst hat und diese bereits neue Wege gehen. Rückversicherer haben als Asset Management-Spezialisten mehr Erfahrung als traditionelle Versicherer mit alternativen Investmentoptionen und -vehikeln. Von diesem Wissen können sie auch in Zukunft profitieren. Sowohl als Investor ihres eigenen Geldes, aber auch als Investmentmöglichkeit (z.B. Retrozessionen) für andere und ggf. sogar durch neue Dienstleistungen / Services für ihre bestehenden Kunden, die Versicherer |
Verkaufstrigger: | Kurs unterschreitet 100 Euro, ansonsten Buy-and-Hold (2025 Zukunftsaussichten bzgl. Klimawandel überprüfen) |
Ggf. Details zum Kauf / Verkauf: | Die Effekte durch die ggf. anstehende Pleitewelle auf Grund der Corona-Krise halte ich für vorübergehend und beziehe sie daher nicht in meine langfristige Entscheidung ein. |
Wenn ich mir meine heutigen Kaufgründe (bzw. eigentlich Haltegründe) anschaue, dann klingen sie deutlich fundierter als damals. Ob das wirklich so ist, werde ich dann wohl in weiteren 8 Jahren besser bewerten können. Vielleicht schaue ich dann zurück auf diesen Artikel und lache über meine damalige Naivität genauso wie ich heute über meine 2012er-Gründe lächle.
Meine damalige Einschätzung, dass die Effekte des Klimawandels mittelfristig in den Rückversicherungsprämien reflektiert werden, würde ich heute (leider) nicht mehr teilen. Tatsächlich glaube ich, dass die Effekte auf Grund anhaltender Preiskämpfe sehr lange nicht ausreichend berücksichtigt sein werden – quasi wider besseren Wissens. Stimmt diese Annahme, bedeutet dies konsequenterweise, dass die Gewinne in der Rückversicherungsbranche allgemein in Zukunft deutlich geringer ausfallen werden als dies in der Vergangenheit der Fall war. Persönlich bin ich hier aber von einer langfristigen „U-Form“ überzeugt bzw. glaube, dass zumindest die großen Rückversicherer durch ihre Marktmacht leicht höhere Preise werden durchsetzen können als andere Wettbewerber. Mal schauen, was ich zu dieser Prognose in 40 Jahren sage!
Was mir auffällt, ist, dass ich keinen einzigen Grund nennen kann, warum ich speziell in Hannover Re und nicht z.B. in die Wettbewerber Swiss Re oder Munich Re investieren sollte. Das zeigt, dass ich mich nicht genug mit dem Rückversicherungsmarkt beschäftigt habe, um hier wirkliche Unterschiede feststellen zu können. Persönlich halte ich es aber für vertretbar, in ein spezielles Unternehmen als Proxy für eine bestimmte Branche zu investieren. Aber vielleicht ist das auch nur eine Ausrede, weil ich zu faul bin, mich näher mit den Unterschiedenen zwischen den großen drei Rückversicherern zu beschäftigen 😉 Wie siehst du das?
LVMH – heute
Datum der Kaufentscheidung: | Anfang Januar 2021 |
(Fiktiver) Kaufkurs: | 515 Euro |
Kaufgründe: | – Die chinesische Mittelschicht wird weiter wachsen – Diese Käufer (und ähnliche Schichten in den anderen aufstrebenden asiatischen Ländern) werden einen hohen Bedarf nach Luxusgütern haben (dies hat sich im ganzen letzten Jahrzehnt gezeigt und ich sehe es jedes Mal, wenn ich in der Frankfurter Innenstadt bin) – LVMH ist als Konglomerat verschiedener Luxusmarken gut aufgestellt um ein Proxy für „den Luxusmarkt“ zu sein – Der bereits im Herbst 2019 angekündigte Kauf von Tiffany’s zeigt die gute unternehmerische Vision von Bernard Arnault, dem Eigentümer von LVMH. |
Verkaufstrigger: | 300 Euro, außer der Kurs fällt nur auf Grund eines globalen Aktiencrashs (wie der Corona-Pandemie) unter diesen Wert Ansonsten Buy & Hold (2025 Markenportfolio / Luxus-Trend prüfen, Entscheidungen von B. Arnault auch vorher schon im Auge behalten) |
Ggf. Details zum Kauf / Verkauf: | Das (juristische) Drama um den Tiffany-Deal trotz (bzw. mitten in der) Corona-Pandemie ist nicht gerade ein Paradebeispiel für gute Unternehmensführung. Irgendwie war für alle 2020 ein außergewöhnliches Jahr, also warum nicht auch bei der Bewertung der unternehmerischen Qualitäten eines französischen Milliardärs mal fünf gerade sein lassen? Jeder hat 2020 ein bisschen mehr Verständnis verdient. |
Hast du dir auch schon einmal ein Investment-Manifest geschrieben? Findest du diese Idee hilfreich?
Über welche Kaufgründe der Vergangenheit kannst du heute herzlich lachen? Was sagst du zu meinem Investment-Manifest? Kannst du meine heutigen Haltegründe nachvollziehen?
Tja, das ist alles sehr strukturiert und analytisch und kann mit Sicherheit helfen, eigene Entscheidungen zu reflektieren. Es gibt dabei aber eine Gefahr: Die eigene Analyse wird nicht selten ausschließlich aus dem Grunde angestellt, die eigene Einschätzung / Meinung / Erwartung zur bestätigen. „Man liest häufig, was man lesen möchte“.
Was mich zum zweiten Punkt bringt, der – meiner Meinung nach – mindestens genau so wichtig ist: „Das Bauchgefühl“. Analyse hin oder her, die Aktie mit der besten Bewertung läuft an der Börse nicht, wenn die allgemeine Einschätzung aller Marktteilnehmer eine andere ist. Dazu mal ein Beispiel von mir:
Die Chinesische (Elektro)Automobil-Aktie BYD (steht übrigens für „Buy your dreams“) wurde über mehrere Jahre mit einem KGV von deutlich <2 angeboten, obwohl das Unternehmen dauerhaft erfolgreiche Geschäfte mit innovativen Produkten machte. Nach 3-4 Jahren unbegründeter Seitwärtsbewegung verliert man gewöhnlich die Lust an einem solchen Wert und neigt dazu das dort gebundene Kapital anders zu investieren. Und jetzt kommt der Punkt: …wenn nicht der Bauch etwas anderes meldet.
Die intuitive Einschätzung einer Kauf-/Halte-/Verkaufssituation gehört nach meiner bisherigen Erfahrung mindestens zu 50% aus den o. g. Gründen dazu. Das ergibt auch insbesondere vor dem Hintergrund eine Menge Sinn, dass Börse – neben allen rationalen Zusammenhängen – auch in hohem Maße Emotion ist. …Und die kommt nicht unerheblich…aus dem Bauch.
Trotzdem: Schon toll zu sehen, wie du dich da so entwickelt hast. Die "Finanzschule" deines alten Herren scheint nicht ganz verkehrt gewesen zu sein. Die Schreiberei scheint dir einen guten Weg zu vielen Selbsterkenntnissen zu bieten. Wenn das hilft…nur zu!
Hallo 🙂
Bauchgefühl und die Idee des Investment-Manifests müssen sich nicht widersprechen, finde ich. Es geht ja nur darum, sich Gedanken zu machen beim Kauf, warum man kauft. Selbst wenn die damals niedergeschriebenen Verkaufstrigger jetzt eigentlich für den Verkauf sprechen, das Bauchgefühl aber dagegen, dann hat das Investment-Manifest doch schon seinen Zweck erfüllt, solange man sich einfach nochmal ausführlich mit dem Ganzen beschäftigt.
Man sieht ja gerade an der letzten Börsenwoche, dass am Aktienmarkt nun wirklich nicht immer alles rational ist! Aber das würde ja denen, die Spaß am Trading haben, auch den ganzen Spaß verderben 🙂
Viele Grüße
Jenni