Und was ist wenn…? // Umgang mit Unsicherheit
Im Moment wird viel über die sogenannte Finanztransaktionssteuer diskutiert. Finanzminister Olaf Scholz möchte gemeinsam mit 10 anderen EU-Ländern eine neue Steuer einführen, die beim Kauf von Aktien großer Unternehmen anfallen würde. Jede Art von (neuer) Steuer beeinflusst meine Finanzen. Und an der gerade diskutierten Finanztransaktionssteuer sieht man, dass die Regierung sich immer wieder neue Steuern ausdenken kann und wird. Wie kann man mit dieser Unsicherheit in Bezug auf die (steuer-)rechtlichen Rahmenbedingungen auf dem Weg zu FIRE umgehen?
Worum geht es überhaupt bei der Finanztransaktionssteuer?
Der aktuelle Gesetzesentwurf für die Finanztransaktionssteuer sieht vor, dass Käufer von Aktien großer Unternehmen 0,2% des Kaufbetrags als Steuer zahlen. Die Steuer würde allerdings nur auf Aktienkäufe von Unternehmen erhoben werden, die eine Marktkapitalisierung von mehr als einer Milliarde Euro haben. In Deutschland wären die Aktien von ca. 150 Unternehmen betroffen, insbesondere die DAX und MDAX Unternehmen, sowie auch ein großer Teil der SDAX-Unternehmen. Nimmt man die 10 Länder zusammen, die diese Steuer gemeinsam einführen wollen, sind etwa 500 europäische Unternehmen betroffen.
Wozu soll das gut sein?
Ursprünglich wurde die Idee einer Finanztransaktionssteuer diskutiert, um Spekulationen an den Finanzmärkten einzudämmen. Dazu hätte man die Steuer auf komplexere Produkte, wie z.B. Derivate, erheben müssen, denn diese Produkte werden von professionellen Spekulanten genutzt. Das ist aber schon lange vom Tisch. Inzwischen kann man sagen, dass es der Regierung schlicht darum geht, zusätzliches Geld einzunehmen. Die Einnahmen aus dieser neuen Steuer sind in Deutschland bereits für die Gegenfinanzierung der neuen Grundrente verplant.
Was bedeutet das für Aktieninvestoren?
Zunächst einmal wird es teurer in Aktien von großen Unternehmen zu investieren. Auch ETF-Anbieter werden die zusätzlichen Kosten voraussichtlich an ihre Kunden weitergeben. Um die Steuer zu umgehen, kannst du statt in große Unternehmen bewusst in Unternehmen investieren, deren Marktkapitalisierung unter 1 Milliarde Euro liegt. Natürlich sollte man seine Investmentstrategie auch an steuerlichen Aspekten ausrichten – aber natürlich auch nicht nur. Jetzt ganz auf ein Investment in große europäische Firmen zu verzichten ist sicherlich auch keine gute Idee.
Für mich persönlich habe ich entschieden, nichts zu ändern an meinen Investments. Genauso wie die 25% Abgeltungssteuer (und der dazugehörige Solidaritätszuschlag) gehört eine mögliche zukünftige Finanztransaktionssteuer zu den Dingen, die ich einfach akzeptieren werde, ohne mich groß aufzuregen. Natürlich ergibt es Sinn, sich vor der Verabschiedung eines Gesetzes dagegen zu engagieren, wenn man es nicht für richtig hält. Sobald ein Gesetz verabschiedet ist, sollte man meiner Meinung nach nicht zu viel Energie darauf verschwenden, sich über Dinge aufzuregen, die man nicht (alleine) ändern kann.
Was sich die Regierung sonst noch so alles ausdenken könnte…
Die Finanztransaktionssteuer ist für mich ein Beispiel von vielen, wie sich die (steuer-)rechtlichen Rahmenbedingungen für Sparer und Investoren verändern können. Oft wird in Deutschland auch über eine (Wieder-)Einführung einer Vermögenssteuer gesprochen. Diese gab es bis 1996. Bis dahin musste jeder, der mehr als 120.000 DM Vermögen besaß, 1% davon jährlich als Steuer abführen. Bei aktuellen Diskussionen um eine Vermögenssteuer in Deutschland geht es meist um ganz andere Vermögenswerte als damals, z.B. 3-5% Steuer ab 1 Million Euro Vermögen (statt 60.000 Euro ≈ 120.000 DM!).
Die Schweiz ist eines der letzten Länder, in dem es noch eine Vermögenssteuer gibt. Hier liegen die Freigrenze in manchen Kantonen bei ca. 200.000 Franken ( ≈190.000 Euro) und der Steuersatz zwischen ca. 0,002-1%. In manchen Kantonen steigt der Steuersatz bei noch größeren Summen weiter an. Dafür gibt es z.B. keine Kapitalertragssteuer, die tatsächlich erzielte Gewinne aus Kapitalvermögen besteuert. Die Schweizer Vermögenssteuer ist also ganz ähnlich wie die deutsche Kapitalertragssteuer. Nur dass sie nicht echte Erträge besteuert, sondern eine Art „angenommenen Standardgewinn“.
Wie gehst du mit dieser Unsicherheit in deinen FIRE-Plänen um?
Je nachdem, wie die Finanztransaktionssteuer, die Freigrenzen einer möglichen Vermögenssteuer oder eine ggf. geänderte Kapitalertragssteuer aussehen, könnte dies mich und meine FIRE-Pläne direkt betreffen. Dabei unterscheide ich zwei Themen:
- Regelungen, die sich noch vor meinem „Rentenantritt“ ergeben und
- Sachverhalte, die sich ggf. erst ändern, wenn ich bereits FIRE erreicht habe und nicht mehr arbeite
Bei allen Änderungen an Rahmenbedingungen, die vor meinem Erreichen von FIRE eintreten, bin ich ganz entspannt. Solange ich noch arbeite, kann ich meine Pläne einfach anpassen. Wenn man vorhat, mit 45 Jahren in Rente zu gehen, dann kann man nicht ernsthaft von Scheitern sprechen, falls dieser Plan nicht exakt so klappt. Sollten sich die Rahmenbedingungen verändern, dann klappt es vielleicht nicht mit 45 Jahren in Rente zu gehen, sondern erst mit 50 Jahren. Kann man das wirklich „Scheitern“ nennen?
Und wenn du schon aufgehört hast, zu arbeiten?
Komplizierter wird es, wenn sich grundlegende Rahmenbedingungen wie Steuern ändern, nachdem man bereits aufgehört hat zu arbeiten. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass man wieder anfangt zu arbeiten, wenn der eigene FIRE-Plan durch externe Faktoren nicht mehr funktioniert. Je nachdem, wie lange man bereits nicht mehr gearbeitet hat, könnte es aber schwierig werden, wieder einen gut bezahlten Job zu finden.
Mit 55 Jahren und nach 10 Jahren Pause würde mich aber wohl niemand mehr in meinem alten Job einstellen. Dann gibt es natürlich immer noch die Möglichkeit, sich einen anderen (Aushilfs-)Job zu suchen. Zum Beispiel im Supermarkt oder im Coffeeshop (das Konzept nennt man auch „Barista FIRE„), um seine Lebenshaltungskosten zu decken. Dabei ist nicht nur fraglich, ob das Gehalt eines Aushilfsjobs reicht, sondern vor allen Dingen, ob man überhaupt Lust hat, wieder zu arbeiten?! Das Ziel von FIRE ist für viele (mich eingeschlossen) doch gerade, nicht mehr arbeiten zu müssen. Für mich ist das also nur eine absolute Notoption.
Immer ordentlich Puffer einbauen
Stattdessen plane ich in meine FIRE-Pläne lieber einen ordentlichen Puffer ein. Zum Beispiel rechne ich so, dass das Geld mindestens bis zu meinem 100. Geburtstag reicht, obwohl meine statistische Lebenserwartung derzeit unter 90 Jahren liegt. Außerdem gibt es einige Einnahmen, die ich nach Erreichen des offiziellen Rentenalters bekommen werde, die ich für die Kalkulation meiner FIRE-Zahl bewusst nicht berücksichtige, z.B.:
- Gesetzliche Rente, wobei ich in all meinen Rechnungen davon ausgehe, dass ich 0 Euro Rente bekommen (auch wenn ich denke, dass die Summe größer als 0 sein wird)
- Riester-Rente, die ich jedes Quartal mit der Maximalsumme bespare (gibt eine Rendite von weniger als der Inflation, ist dafür aber so sicher wie das Amen in der Kirche)
- Betriebsrente, die mein derzeitiger Arbeitgeber für mich finanziert
Für mich sind diese Puffer der beste Weg, um mit Unsicherheit umzugehen. Dazu kommt eine gewisse Flexibilität im Lebensstandard. Im Gegensatz zu Frugalisten, die oft FIRE mit Lebenshaltungskosten von unter 1.000€ pro Monat anstreben, plane ich deutlich großzügiger. Ich plane mit mehr als dem Doppelten, und dann noch einmal genauso viel für meinen Freund Christoph. Das ist insgesamt ein hohes monatliches Budget, in dem viel Luxus eingeplant ist, z.B. für Urlaube und Reisen. Der Vorteil an einem hohen monatlichen FIRE-Budget ist, dass der Spielraum für Budgetkürzungen größer ist, als wenn man knapper kalkuliert hat.
Insgesamt bin ich recht entspannt beim Umgang mit Unsicherheit in meinem FIRE-Plan. Mir ist klar, dass ich nicht alle Rahmenbedingungen wie z.B. Steuern beeinflussen kann. Solange ich aber noch nicht aufgehört habe zu arbeiten, ist es einfach, meinen Plan bei geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Sofern sich etwas nach meinem „Renteneintritt“ ändert, bin ich trotzdem guten Mutes, dass ich genug Puffer und Flexibilität in meine Pläne eingebaut habe. Deswegen habe ich trotz Unsicherheit ein gutes Bauchgefühl, und muss mich nicht zu sehr über die jetzt drohende Finanztransaktionssteuer aufregen. Auch wenn ich sie nach wie vor für eine wirklich doofe Sache halte.
Wie gehst du mit Unsicherheit um? Welche Puffer hast du in deine Finanzpläne eingebaut? Welche Vermögenswerte berücksichtigst du und welche nicht?
2 Replies to “Und was ist wenn…? // Umgang mit Unsicherheit”