Machst du regelmäßig ein Rebalancing deines Portfolios? // Sinn und Unsinn von Rebalancing
Als Finanz-Neuling hört man als ersten Tipp immer: „Leg dir einen Notgroschen zurück!“ Direkt danach, wenn es dann tatsächlich um Aktien-Investments geht, folgen Tipps zum Thema „eigene Risikobereitschaft“: Man solle sich überlegen, welche Risiken man bereit sei, einzugehen und entsprechend einen Teil seines Geldes in Aktien, einen anderen in Anleihen anlegen. Hat man „seinen“ Mix festgelegt, soll man dann in regelmäßigen Abständen, z.B. jährlich, ein sogenanntes „Rebalancing“ durchführen.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Rebalancing“?
Hinter dem Rebalancing-Konzept steht die Idee, dass der einmal gewählte Mix zwischen verschiedenen Anlageklassen (oder Branchen, Regionen, etc.), die sogenannte Asset Allokation, dauerhaft beibehalten werden sollte. Ergibt auf den ersten Blick natürlich auch Sinn: Wenn ich mich für 70% Aktien und 30% Anleihen entschieden habe, dann will ich das natürlich nicht nur zum Startpunkt bzw. direkt nach der Entscheidung/Investition haben, sondern auch Jahre später noch. Da sich aber selten alle Anlageklassen identisch entwickeln, verändert sich das Verhältnis zwischen den verschiedenen Assets über Zeit.
Ein vereinfachtes Beispiel: Ich kaufe Anfang 2019 für 700€ Aktien (z.B. einen MSCI World ETF) und für 300€ Anleihen (z.B. einen Staatsanleihen-mit-guter-Bonität-ETF). Am Ende des Jahres ist der Aktien-ETF 914€ (+30,5%) wert und der Anleihen-ETF ist um 5,6% gestiegen, sodass aus den 300€ jetzt 317€ geworden sind. 914€ von 1.231€ Gesamtvermögen sind jetzt 74% und nicht mehr 70% des Gesamtvermögens, wie man es sich ursprünglich am Jahresanfang als „perfekten“ Mix überlegt hatte.
An dieser Stelle kommt Rebalancing ins Spiel
Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten, was man jetzt tun kann:
- Option A: Die unterschiedliche Entwicklung ignorieren, z.B. da die Abweichung von der vorher festgelegten für einen selbst idealen Asset Allokation klein ist (z.B. „74% ist ja abgerundet weiterhin 70%“)
- Option B: Weiteres Geld nur in die Anlageklasse investieren, die derzeit unterrepräsentiert ist – und zwar so lange, bis der ursprünglich angestrebte Mix wiederhergestellt ist. In unserem Rechenbeispiel müsstest du jetzt 79 zusätzliche Euro in Anleihen investieren, um wieder einen 70/30-Mix zu haben. Dazu muss man natürlich aber erst einmal Geld übrig haben, das man als Ausgleich investieren kann! Falls das nicht möglich ist, bleibt noch:
- Option C: Einen Teil des Aktien-Investments verkaufen und das Geld stattdessen in die Anleihen stecken. In unserem Beispiel wären es 52€, die umgeschichtet werden müssten.
Gerade die letzte Option finden viele eher unlogisch: Ich verkaufe einen Teil meiner gut laufenden Investments, um das Geld in meine weniger gut laufenden Investments zu stecken? Im Beispiel oben steigen wenigstens sowohl die Aktien als auch die Anleihen. Aber das muss keineswegs jedes Jahr so sein – es kann durchaus sein, dass ein Asset steigt und ein anderes fällt. Nimmt man Rebalancing ernst, muss man also in manchen Fällen Geld von seinem Gewinner abziehen und in seinen Verlustbringer verschieben.
Meine Meinung zum Rebalancing
Du hörst es vielleicht schon heraus: Ich bin kein Rebalancing-Fan, zumindest nicht im Sinne von Option C. Zunächst einmal kostet es immer Gebühren, Investments zu verkaufen, um dann wieder andere davon zu kaufen. Nicht umsonst ist „Hin und her, Taschen leer“ eine alte Börsenweisheit. Bei kleinen Summen, wie im Beispiel oben die 1.000€ Anfangsinvestment, würden selbst bei einem günstigen Online-Broker noch Gebühren von 0,5-2% der Anlagesumme für das Rebalancing anfallen.
Sinnvoller ist es da meiner Meinung nach, seine regelmäßigen Sparraten bzw. neuen Investments, zu nutzen, um sich über die Zeit wieder seinem optimalen Anlageklassen-Mix anzunähern. Je nachdem, wie groß allerdings das eigene Vermögen bereits ist und wie hoch die Sparraten/neuen Investments im Vergleich dazu sind, kann es natürlich sehr lange dauern, bis das ursprüngliche Verhältnis der Anlageklassen wieder erreicht ist – oder man erreicht das Verhältnis tatsächlich nie, da sich die Investments natürlich zwischendurch auch wieder (unabhängig voneinander und daher unterschiedlich) entwickeln.
Meine aktuelle monatliche Sparrate entspricht ungefähr 1% meines Gesamtvermögens. Wählt man im Beispiel oben eine ähnliche Sparrate von 1%, also ca. 12€ pro Monat, muss man bei einer Rebalancing-Strategie wie in Option B beschrieben 6-7 Monate lang nur in Anleihen investieren, um wieder auf den 70/30-Mix zu kommen. Und in dieser Zeit entwickeln sich die Märkte ja auch wieder weiter, sodass man am Ende vielleicht nur noch Anleihen kauft und die traumhaften Wachstumsraten am Aktienmarkt verpasst. Klingt irgendwie nicht so attraktiv, oder?
Eine kleine Freizeitpark-Metapher
Ob, wie oft und nach welcher Methode genau man jetzt ein Rebalancing durchführt ist eigentlich egal. Jeder hat da seine eigenen Präferenzen und auch eine eigene Ausgangssituation. Investiere ich regelmäßig neues Geld? Dann ist Rebalancing-Option B kostengünstiger und daher ggf. besser geeignet. Hilft es meiner Spar- und Investment-Disziplin, wenn ich feste Regeln habe, an die ich mich genau halte? Dann ist Rebalancing-Option C wahrscheinlich die beste Wahl.
Mein Problem mit dem Thema Rebalancing (gerade als Tipp für Finanz-Neulinge), ist aber eigentlich schon der erste Schritt. Es klingt so einfach und trivial: „Überleg dir, welches Risiko du bereit bist einzugehen und dann leg auf dieser Basis die optimale Asset-Allokation fest!“
Aber woher soll ich – gerade am Anfang – wissen wie hoch meine Risikobereitschaft ist?
Die sehr kluge und absolut witzige amerikanische Finanzbloggerin Dumpster Dog hat zu diesem Thema neulich einen sehr treffenden Vergleich angestellt.
Stell dir vor, du stehst an der Kasse eines Freizeitparks. Die Kassiererin sagt dir: „Hallo und herzlich willkommen! Wir haben hier verschiedene Achterbahnen, wovon einige auch für Kinder geeignet sind und andere echt abgehen. Wir teilen die Achterbahnen in 7 verschiedene Klassen ein und Sie müssen sich für eine Klasse entscheiden und dürfen dann nur die Fahrgeschäfte in ihrer jeweiligen Klasse nutzen. Bitte entscheiden Sie sich jetzt für eine von diesen 7 Klassen, wobei 7 die rasantesten Achterbahnen enthält!“
Das würde dir doch auch sehr merkwürdig vorkommen, oder? Ausgenommen die Menschen, die totale Achterbahn-Fans sind und denen absolut nichts zu aufregend ist und die daher sofort die 7 wählen – alle anderen Besucher wüssten wahrscheinlich so spontan nicht, für welche der Klassen sie sich entscheiden würden. Nimmt man dann irgendwas so in der Mitte? Oder lieber nur eine der geringen Stufen, um auf der sicheren Seite zu sein? Ist ja auch langweilig, wenn man dann den ganzen Tag nur auf Kinderkarussells seine Runden drehen kann.
Stattdessen wäre es doch besser, wenn man alle Achterbahn-Klassen nutzen dürfte und sich vor jeder Fahrt einfach mit eigenen Augen die jeweilige Achterbahn angucken kann. Wenn eine Achterbahn der Klasse 4 einem noch zu lahm war, geht man für die nächste Fahrt dann eben zu einer 5 oder 6. Und wenn eine spezielle Klasse-6-Achterbahn doch etwas zu rasant aussieht, lässt man sie eben aus. Die eigene Risikobereitschaft ist vielleicht auch nicht den ganzen Tag über gleich. Direkt nach dem Mittagessen möchte man nicht mit 60 km/h durch die Luft sausen, am späten Nachmittag ist das aber nochmal genau das richtige, um wach zu werden. Auch äußere Faktoren können die Achterbahn-Wahl beeinflussen. Bei Regen kommt einem die eine Klasse-7-Bahn dann doch nicht mehr ganz so sicher vor, wie noch am Morgen, als man bei wunderschönem Sonnenschein das erste Mal daran vorbeigelaufen war.
Mein grundlegendes Problem mit Rebalancing: Die eigene Risikobereitschaft
Die kleine Metapher verdeutlicht hoffentlich, was mein Problem mit der Festlegung der eigenen Risikobereitschaft (und damit auch der Festlegung des optimalen Anlageklassen-Mix) ist. Zunächst ist es als Neu-Investor extrem schwierig abzuschätzen, ab welcher Höhe man bei Schwankungen oder Buchverlusten wirklich nervös wird. Wer 2018 mit dem Investieren angefangen hat, hat wahrscheinlich viele seiner Investments noch nie in den roten Zahlen gesehen! Kann ich dann wirklich sagen, wie hoch meine Risikobereitschaft ist, wenn gefühlt gar kein Risiko sichtbar ist in der jüngeren Vergangenheit?
Dazu kommt natürlich auch, dass die eigene Risikobereitschaft keineswegs ein statischer Wert ist, den man einmal in seinem Leben festlegt und dann dabei bleibt. Je jünger man ist, desto mehr Zeit hat man, zwischenzeitliche Verluste wieder aufzuholen. Oft wird in diesem Zusammenhang von folgender Faustregel für die ideale Aktienquote in Prozent gesprochen: „100 – Lebensalter“ (manchmal auch „120 – Lebensalter “) sei der „richtige“ Prozentsatz Aktien im Portfolio. Eine Dreißigjährige sollte nach dieser Regel also 70% ihres Gesamtvermögens in Aktien angelegt haben.
Und wenn man 130 Jahre alt wird?
Wie wahrscheinlich fast alle Faustregeln ist diese Regel sehr umstritten. Denn statt dem Alter ist viel mehr der verbleibende Anlagehorizont relevant, also wann man das investierte Geld nutzen möchte. Dazu kommt, dass je nach eigener Situation das investierte Geld unterschiedlich unentbehrlich ist. Wer hauptsächlich investiert, um seinen Erben ein möglichst großes Vermögen mitgeben zu können oder um seine Rente später aufzubessern, aber eigentlich bereits aus anderen Quellen genug Geld zum Leben besitzt, der kann deutlich risikoreicher investieren als der normale Arbeitnehmer, der sich ohne das Geld aus seiner privaten Altersvorsorge später in der Rentenzeit sehr einschränken müsste im Vergleich zum heutigen Lebensstandard. Höchst individuell also alles!
Ein weiterer Kritikpunkt an der Faustregel ist auch, dass gerade Senioren sich mit Aktien besser gegen das sogenannte Langlebigkeitsrisiko absichern können. Das Langlebigkeitsrisiko beschreibt ein eigentlich angenehmes Risiko, nämlich dass man länger lebt als die Statistik denkt. Eine Hundertjährige, die nur noch Geld auf dem Girokonto besitzt, geht zwar kein Risiko mehr ein, ihr Vermögen durch Marktschwankungen zu verringern. Aber sie kriegt auch keine Zinsen mehr, sodass das Geld immer weniger wird. Sollte sie überraschend doch 114 Jahre alt werden, könnte es ggf. knapp werden mit dem immer kleiner werdenden Vermögen.
Als letztes muss man bei dieser Regel auch bedenken, dass die vermeintlich sicheren Anlageklassen, wie z.B. Anleihen oder gar Gold, nicht unbedingt immer den Schutz gegen fallende Aktienmärkte bieten, wie es eine solch einfache 70/30-Regel suggeriert. Denn jede Anlageklasse besitzt wieder ihre eigenen Risiken. Interessant ist da z.B. dieser Artikel aus der Zeit aus dem Jahr 2008, mitten während der Finanzkrise, in dem es um die vermeintlich sicheren Staatsanleihen geht – und welche Risiken diese wiederum mitbringen.
Selbst wenn die Kurse von Staatsanleihen hochgehen oder der Goldpreis steigt, sobald die Aktienkurse fallen (was keineswegs ein Automatismus ist!), reicht der Anstieg in den wenigstens Fällen aus, um die fallenden Aktienkurse vollständig abzufangen – insbesondere, wenn man prozentual gesehen deutlich mehr Aktien besitzt als andere Anlageklassen.
Als Beispiel nehmen wir ein Portfolio mit 70% Aktien und 30% Anleihen. Sinken die Aktienkurse um 40% (wie der DAX im Jahr 2008), müssten die Anleihe-Fonds um ca. 90% steigen, um die Verluste komplett auszugleichen. Diese sogenannten Rentenfonds konnten von den Einbrüchen an den Aktienmärkten aber nicht wirklich profitieren. Der „Internationale Rentenfonds“ der Allianz zum Beispiel, schaffte es auf +14% im Jahr 2008. Das ist natürlich eine super Performance im Vergleich zu den -40% vom DAX im gleichen Jahr. All seine Verluste konnte man so allerdings nicht ausgleichen. Die Diversifikation in andere, vermeintlich risikoärmere bzw. mit Aktien wenig korrelierte Anlageklassen ist also gerade bei jungen Anlegern mit einem noch langen Anlagehorizont eher etwas, was hilft, das eigene Gewissen bei einem Aktiencrash zu beruhigen. Immerhin sieht man irgendwo im Depot noch grün, wenn alles andere tiefrot ist!
Hält man sich strikt an seine Rebalancing-Strategie, hätte man während der Finanzkrise 2008 also einen Teil seiner Anleihen-Fonds verkauft und in Aktien investiert. Das erfordert einiges an Mut, wenn alle anderen wie wild verkaufen und die Aktienkurse wirken als wären sie im nie enden wollenden Sinkflug. Wer hier aber diszipliniert geblieben ist bzw. sich nicht hat abschrecken lassen, hat im Nachhinein natürlich eine tolle Rendite einfahren können. Wer Mitte November 2008 in den DAX investiert hat, hatte 10 Jahre später sein Investment mehr als verdoppelt (+214% bis Mitte 2018), bei Dow Jones-Aktien wäre das Geld sogar verdreifacht worden (+318%).
Ist Rebalancing jetzt sinnvoll oder nicht?
Rebalancing, im Sinne von echtem Umschichten zu einem festgelegten Zeitpunkt, ist aus meiner Sicht bei den meisten Anlegern eher unnötig und teuer. Aber natürlich sollte man im Blick haben, wie viel Risiko das eigene Portfolio enthält und ob das noch zum eigenen Leben passt (Anlagehorizont, Lebenssituation). Fühlt man sich nicht mehr wohl mit seinem Anlageklassen-Mix, reicht es häufig schon, über die Zeit durch die neuen Investments und regelmäßigen Sparraten umzuschichten. Besonders in Krisenzeiten sollte man sich allerdings an die Rebalancing-Idee erinnern. Denn gerade wenn es besonders unintuitiv erscheint, in die Assets zu investieren, die gerade fallen und fallen, war dies im Nachhinein oft eine besonders günstige Einstiegssituation.
Führst du regelmäßig Rebalancing durch? Welche Strategie nutzt du hierfür? Und welche Faktoren berücksichtigst du hierbei (Regionen, Anlageklassen, etc.)?
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