Gibt es eine ETF-Blase? (Teil 1) // Marktdominanz der ETFs

Lesezeit: 5 Minuten

ETFs werden als Mittel für Investments an der Börse immer beliebter. Mit ihrer Popularität steigt aber auch die Anzahl an Artikeln, die vor einer ETF-Blase warnen. Besteht durch den ständig wachsenden Marktanteil von ETFs tatsächlich eine Gefahr?

Auch in Finanzforen merkt man, dass einige Finanzneulinge durch entsprechende Warnungen (die meist von aktiven Vermögensverwaltern kommen, die im gleichen Atemzug für ihre aktiven Fonds werben ;), reißerische Bücher und TV-Dokus verunsichert sind. Zunächst einmal sollte man meiner Meinung nach daher betrachten, ob ETFs tatsächlich bereits den Markt dominieren. Im zweiten Teil dieses Artikels gehe ich dann auf einige häufig vorgebrachte Kritikpunkte an ETFs ein.

Dominieren ETFs überhaupt den Markt?

Die meisten kritischen Artikel zu ETFs stammen aus Amerika oder nutzen für ihre Argumentation amerikanische Statistiken. Denn dort stellen ETFs tatsächlich bereits einen signifikanten Teil des in Aktienfonds investierten Vermögens dar. Die aktuellsten Zahlen, die ich finden konnte, stammen aus Zeitungsartikeln aus dem März 2019. Zu diesem Zeitpunkt waren 45% aller US-Aktienfondsinvestments in passiven Indexfonds investiert und nur noch 55% in aktiven Aktienfonds.

Datenstand: März 2019 – Es kann gut sein, dass passive US-Aktienfonds inzwischen die aktiv gemanagten Fonds überholt haben

Berichte über Zu- und Abflüsse aus Fonds deuten darauf hin, dass der Trend hin zu passiven ETF sich seitdem zumindest nicht umgekehrt hat, auch nicht während der Corona-Krise. 45% Marktanteil erscheint erst einmal eine ganze Menge, stellt aber nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Wertpapiermarkts dar.

USA vs Rest of World

Quelle: ICI

Außerhalb der USA, die laut Schätzungen des amerikanischen Investment Company Institutes (einer Interessenvertretung amerikanischer Investmentfirmen) ca. 70% des ETF-Markts darstellen, ist der Marktanteil von ETFs zur Zeit noch deutlich niedriger.

Schaut man sich zum Beispiel die fünf größten aktiv gemanagten Fonds mit Domizil in Europa und die fünf größten europäischen ETFs an, so schafft es laut Juni-Zahlen von Mornigstar Research überhaupt nur der größte ETF Europas (iShares Core S&P 500 ETF) mit einem Fondsvolumen von 32,6 Mrd. Euro in die Top 5 der größten Fonds in Europa (aktiv oder passiv), und zwar auf Platz 3. Der zweitgrößte ETF Europas (Vanguard S&P 500 ETF) ist mit 21,9 Mrd. Euro Fondsvolumen kleiner als die fünf größten aktiv gemanagten Fonds mit Domizil in Europa.

Datenstand: Juni 2020

Investmentfonds als Besitzer von Aktien vs andere Aktienbesitzer

ETFs gehört nur ein kleiner Teil aller amerikanischen Aktien. Der größte Aktienbesitzt liegt tatsächlich in der Hand von Privatpersonen (z.B. den Unternehmenseigentümern)

Hinzu kommt, dass Fonds an sich nur einen geringen Teil der verfügbaren Aktien halten. In den USA werden laut den Statistiken der amerikanischen Zentralbank über ein Drittel der Aktien (34%) direkt von Privatpersonen gehalten. Nur 28% der Aktien werden von Investmentfonds und ETFs gehalten, wobei ETFs mit 6% des gesamten Aktienvermögens somit nur einen kleinen Teil der US-amerikanischen Aktien besitzen. Laut eines Handelsblatt Artikels machen Indexfonds auf europäische Basiswerte nur 4-5% des europäischen Aktienmarkts aus.

Anteil von ETFs am totalen Handelsvolumen

Alternativ kann man auch auf den Anteil von ETFs am durchschnittlichen monatlichen Handelsvolumen schauen. Auch hier zeigen sich starke Unterschiede zwischen den USA und Europa. Während ETF-Käufe und Verkäufe an europäischen Börsen nur 2-3% des Volumens darstellen, stellen sie 2019 in den USA durchschnittlich 26% des täglichen Handelsvolumen dar. Der absolute ETF-Spitzenwert wurde am 24. Dezember 2018 mit 42% des Handelsvolumens registriert. Laut Zahlen des Investment Company Institutes ist der Anteil der ETFs am US-Aktienhandelsvolumen seit 2010 relativ konstant bei rund einem Viertel geblieben.

Quellen: Investment Company Institute, Bloomberg, and Cboe Exchange, Inc.

Aktien vs andere Anlageklassen

Wenn man sich andere Anlageklassen anschaut, z.B. Anleihen, Rohstoffe oder auch nicht-amerikanische Aktien, haben ETFs im Vergleich zu aktiven Fonds immer einen deutlich geringeren Marktanteil. Bei amerikanischen Anleihefonds liegt der ETF-Marktanteil z.B. nur bei etwa 25%, nicht bei 45% wie bei den Aktienfonds.

Und Anleihen als Anlageklasse sind als Investment für Privatanleger allgemein deutlich weniger verbreitet als Aktienfonds. Während noch gut ein Drittel aller US-Aktien von Privatpersonen gehalten wurde, sind es bei Anleihen nur 5%. Anleihe-ETFs machen laut dieser Statistik der amerikanischen Zentralbank auch nur weniger als 2% des gesamten amerikanischen Anleihemarkts aus.

Quelle: SIFMA

Aber auch in diesen Anlageklassen, die bisher nur 30% aller am Markt vorhandenen ETFs darstellen (der Rest sind alles Aktien-ETFs), gewinnen ETFs gegenüber aktiv gemanagten Fonds stetig an Marktanteilen. Das liegt nicht nur an den deutlich niedrigeren Kosten von ETFs gegenüber aktiven Fonds, sondern vor allem auch an der sich immer weiter durchsetzenden Erkenntnis, dass die wenigsten aktiven Fonds ihren Vergleichsindex schlagen.

Performance passiver Indexstrategien vs aktives Fondsmanagement

In einer Analyse von Morningstar Research über aktive europäische Fondsmanagern stellt sich heraus, dass diese in fast allen Fondskategorien schlechter abschnitten als passive Strategien. Nur bei Fokus auf Aktien von mittelgroßen englischen Firmen und norwegische Aktien konnten die aktiven Fondsmanager im Schnitt eine höhere Rendite generieren. In allen anderen 47 Fondskategorien verloren sie gegen die passiven Strategien.

Eine Analyse von S&P Dow Jones Indices (einem Indexanbieter), die der Blog Finanical Samurai veröffentlicht hat, kam zum gleichen Ergebnis. Deutlich über 80% der aktiven amerikanischen Aktien-Publikumsfonds konnten ihren Vergleichsindex über einen 10-Jahreszeitraum nicht schlagen.

Nur in der Spezialkategorie „Developed World Ex-US Small Caps“ konnten 50% der Fondsmanager den Vergleichsindex schlagen. Das ließen sie sich aber so gut bezahlen, dass die Erfolgsquote unter Einbezug der Gebühren auf nur noch ca. 35% sinkt. Andersherum: 65% der Aktienfonds mit diesem Investmentfokus brachten dem Anleger eine schlechtere Rendite als ein Investment in den Vergleichsindex.

Bei Anleihefonds schlagen sich die Fondsmanager tatsächlich besser als bei Aktienfonds. Hier gibt es ein paar mehr Arten von aktiven Anleihefonds, z.B. jene die auf Anleihen amerikanischer Städte und Gemeinden fokussiert sind, die im Durchschnitt über die letzten 10 Jahre eine bessere Rendite als ihr Vergleichsindex geliefert hätten.

Fazit

Die vorhandenen Fakten zeigen, dass wir von einer ETF-Dominanz noch weit weg sind. Nur auf dem amerikanischen Markt für Aktienfonds haben passive ETFs inzwischen einen Marktanteil von fast 50% – aber ist das bereits eine Dominanz? Von der Dominanz der Investmentfonds hat ja auch keiner gesprochen, als ETFs noch kleinere Marktanteile hatten.

Man kann noch lange nicht von einer Dominanz von ETFs auf „den Markt“ sprechen, da der Anteil von ETFs (unter 10%) verglichen mit dem gesamten amerikanischen Aktienmarkt und ihr Anteil am Handelsvolumen (ca. 25%) weiterhin recht klein ist. Für andere Weltregionen wie Europa oder andere Anlageklassen wie Anleihen sind die Marktanteile von ETFs auch noch lange nicht so hoch. Der gesamte globale Wertpapiermarkt ist also noch lange nicht von ETFs beherrscht.

ETFs sind für den durchschnittlichen Privatanleger weiterhin die beste Art, in Aktien zu investieren und für die Rente vorzusorgen. Denn auch die anderen Argumente, die bei der Warnung vor einer ETF-Blase oft hervorgebracht werden, lassen sich mit etwas Recherche entkräften. Mehr dazu in Teil 2.

Welcher Teil deines Depots ist in ETFs investiert? Hast du schon von der Diskussion um eine ETF-Blase gehört? Welche Argumente aus den Artikeln über eine potentielle ETF-Blase soll ich noch näher beleuchten? Welche Fragen (und vielleicht auch Bauchschmerzen) hast du beim Thema ETFs?

5 Replies to “Gibt es eine ETF-Blase? (Teil 1) // Marktdominanz der ETFs”

  1. Danke für den schönen Artikel. Von einer „ETF-Blase“ zu reden ist schon deswegen quatsch, weil ETFs ja nur die Hülle sind, in die die Aktien gesteckt werden. Es können also nur die zugrunde liegenden Aktien eine Blase bilden, und das bei aktiven und passiven Fonds gleichermaßen.

    Eine Marktdominanz ist normalerweise für Kunden deshalb schlecht, weil sie zu höheren Preisen führt. Auch in diesem Punkt ist das Gegenteil der Fall, die Preise von ETFs sinken immer noch und haben auch bei den aktiven Fonds einen Preisdruck ausgelöst, sodass deren Gebühren ebenfalls etwas sinken (von hohem Niveau).

    Gehst du in dem zweiten Teil auch auf den Punkt ein, dass von einzelnen Firmen ein ETF bereits 5-10% der Anteile hält und somit einen gewissen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben kann? Das sehe ich durchaus kritisch bei großen ETFs. Gerade wenn ein Fonds an mehreren Unternehmen der gleichen Branche stark beteiligt ist, könnte das den Wettbewerb behindern und kartellrechtlich interessant sein.

    1. Hallo Michael,
      im Teil 3 und 4 werde ich auf die Unternehmen hinter den ETFs eingehen, sowohl die Index-Anbieter wie MSCI als auch die Emittenten wie Blackrock, Vanguard, etc. Das ist tatsächlich eine relevantere Frage, mit der es sich zu beschäftigen lohnt als das ewige Gerede von der ETF-Blase.
      Gerade bei den Gebühren in Deutschland ist auch noch eine Menge Spielraum, wenn man es mit den ETF-Gebühren in den USA vergleicht. Die Blogger dort klassifizieren Fonds mit TER über 0.25% schon als teuer! Das ist im deutschen ETF-Markt wirklich noch nicht Standard, obwohl es hier ja inzwischen zum Glück auch einige echt günstige Angebote gibt. So gesehen ist der Wettbewerb im Moment eher noch als positiv zu bewerten 🙂
      Viele Grüße
      Jenni

  2. Hier vergisst jeder das schöne SAG-Gesetz von 2014.

    Depotbanken sind auch Banken, ergo sind die ETFs einfach nur die Gelder die von den Banken bei Konkursfall eingezogen werden.

    Einlagensicherung sind auch nur Versicherungen.

    1. Ich lasse mich da gerne eines besseren belehren, aber ich glaube, das hast du falsch verstanden. Im Sanierungs- und Abwicklungsgesetz wurde festgelegt, dass Aktionäre (von Banken) sowie Kunden mit Einlagen oberhalb der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 Euro für einen Bail-In herangezogen werden können, sollte eine Bank dermaßen in Schieflage geraten, dass dies nötig wird. In solch einem Fall könnten deine Bank-Aktien (also Unternehemsanteile an einer spezifischen, abzuwickelnden Bank X) tatsächlich auf den Wert 0 sinken (wie bei einer Insolvenz). Das hat aber mit ETFs, die Sondervermögen darstellen, nichts zu tun. Innerhalb eines ETFs kann es immer sein, dass ein Unternehmen (egal ob eine Bank oder nicht) insolvent geht. Der Vorteil eines ETFs ist ja aber gerade die Diversifikation, sodass ein Ausfall nicht einem Komplettausfall gleichkommt.
      Das SAG betrifft explizit Einlagen und Aktionäre des abzuwickelnden Unternehmens. ETFs und andere Wertpapiere stellen keine Einlagen dar und sind daher nicht einziehbar. Es ist ein großer Unterschied, ob ich ein Depot bei der Commerzbank habe oder ob ich Commerzbank-Aktionär bin.

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